Gedanken über den Weg zum Sozialismus

Angeregt zum Thema hat mich der neueste Artikel auf Kommunisten online, eine vorausgegangene e-Maildiskussion überarbeitet hier einzustellen:

Natürlich muß alles auf den Prüfstein des Marxismus/Leninismus gelegt werden. Doch darf dabei nicht vergessen werden, daß die Praxis in der Gesellschaftsentwicklung, bedingt durch objektive und subjektive Faktoren, nicht linear zur Theorie verlaufen kann. Wie sollen Menschen, die noch derart geprägt sind vom anderen System – andere Wertevorstellungen, persönlicher Nutzen durch Machtpositionen, z.T. gewaltbereiten Denken (berechtigt und unberechtigt), unfähig, eigenes Handeln stets selbst zu hinterfragen und zu korrigieren usw. den perfekt nach Lehrbuch beschriebenen Kurs beibehalten?

So neigen Menschen meist dazu, sich selbst hervorzuheben, qualifizierte Menschen mißachten weniger qualifizierte, wohlhabende Menschen mißachten weniger wohlhabende, Menschen in Leitungspositionen neigen zu Arroganz und Überheblichkeit, das Streben nach Reichtum, nach Besitz, Konsum usw. Wir kennen doch die so schön als „menschlich“ bezeichneten Schwächen. Übrigens können wir solche Metamorphosen sehr prägnant bei den Grünen und jetzt bei den Linken beobachten. Gleichzeitig kann man es gut bei den sich als marxistisch/leninistisch bezeichnenden Parteien und Gruppierungen sehen – die Theorie wird vollkommen konträr ausgelegt – Grund sich zu trennen und abermals zu trennen. Und bei allem wird der Wille des Volkes, der arbeitenden Masse, außen vor gelassen.
Niemand ist in der Lage, die Menschen von heute auf morgen zu ändern, ihnen das Konsumdenken abzugewöhnen und andere Wertevorstellungen zu verinnerlichen. Vermutlich bin ich mit einem Gendefekt zur Welt gekommen, denn Geld, Besitz, Macht haben mich noch nie beeindruckt und waren für mich noch niemals Ziel irgendwelchen Handelns. Sehr wohl beeindruckt es mich, wenn ich Menschen erlebe, die selbstlos anderen helfen, die offen und ehrlich sind, auf die man sich verlassen kann, die bereit sind, nachzudenken, die einfach und bescheiden bleiben, den Bezug zur Masse nicht verlieren, egal, was sie besitzen und welche Position sie innehaben.

Ich wurde gefragt: ist diese und jene Partei oder Person marxistisch/leninistisch oder nicht?

Es ist einfach unmöglich, daß sich eine Partei, ein Land ganz konsequent nach Marx & Co. entwickelt, solange die Menschen so sind, wie sie sind. Niemand kann in der Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft Vorhersagen machen, niemand kann objektive Bedingungen mißachten, nur weil sie gerade stören, nein, man muß sich in allem darauf einstellen, auch einmal unpassende Entscheidungen treffen, um dann irgendwann, auch über Umwege und behaftet mit Kompromissen zum Ziel zu kommen.

Nur weil ein Bauer z.B. in Kuba auf eigene Kosten anbauen, jemand privat Handel oder ein Gewerbe betreiben darf, heißt das noch lange nicht, vom Ziel abzuweichen. Solange neue Wertevorstellungen nicht verinnerlicht sind und jeder sein Leben darauf einrichtet, ich gehe davon aus, daß das ein Prozeß von mehreren Generationen, also von mehreren hundert Jahren ist, müssen solche Kompromisse eingangen werden. Natürlich muß Kuba, darauf achten, seine Kontroll- und Steuerfunktion wahrnehmen, daß ein einzelner Bauer nicht zum Großgrundbesitzer mutiert, ein kleiner Bäcker nicht zum Nachteil anderer Bäcker expandiert und ein kleiner Händler nicht zum Handelsmonopol strebt. Aber wenn die Wirtschaft stagniert, wenn durch Embargos ein Land in den Ruin getrieben wird, warum sollte man nicht die noch vorhandene persönliche Energie Einzelner nutzen, um persönliche Motivation für gesellschaftlichen Nutzen einzusetzen?

In China, das ist meine Meinung, gerät alles außer Kontrolle (am 18.06.2011, 19:57 Uhr konkretisiert: In China hat man längst den Kurs Sozialismus verlassen und sich der Marktwirtschaft zugewandt.) da haben sich längst Einzelne am Volk maßlos bereichert – da hat der Staat, die m/l Partei vollkommen versagt, ist ihrer Kontroll- und Steuerfunktion nicht nachgekommen.

Haben z.B. Honecker, Ulbricht nun stets als Marxisten/Leninisten gehandelt? Nicht eine einzelne Person trifft Entscheidungen, hinter jedem Staatsoberhaupt stehen Berater, Wirtschaftsexperten, Gesellschaftswissenschaftler, Naturwissenschaftler, die Entscheidungen befürworten oder ablehnen, auf die sich eine einzelne Person als Präsident unbedingt verlassen können muß. Gleichzeitig gibt es Neider, Denunziationen, Verräter (wie Chrustschow) käufliche Subjekte (wie Gorbatschow) – auf wen also kann sich dieser einzelne Mensch an der Spitze eines Staates bedingungslos verlassen? Wie erkennt man bei einem Menschen Ehrlichkeit und Selbslosigkeit, wie erkennt man Verräter und Denunzianten, wie seine Gesinnung? Nichts steht ihm auf das Gesicht geschrieben.

Natürlich kann man den Handel mit dem politischen Gegner ablehnen, kann man auf Devisen verzichten. Doch was macht man, wenn einem Volk nicht reicht, was zur Verfügung steht? Wenn die Massen nach Konsum streben und nach sinnlosem Zeugs, nach dem letzten Modeschrei… Dann rennen Arbeitskräfte in Massen weg (wie in der DDR) – zu allererst die beim politischen Gegner dringend gebrauchten hoch geschulten Fachkräfte – Warum? Weil diese ganz private persönliche Interessen in den Vordergrund stellen und nicht nach marxistisch/leninistischen Wertevorstellungen leben wollen. Also suchst Du nach Möglichkeiten, Wegen, gehst Kompromisse ein, um das Volk zufriedenzustellen.

Was ich mit allem sagen will: Niemand kann den Sozialismus mit bürgerlich geprägten Menschen aufbauen. Wichtig ist es, die Richtung zum Sozialismus / Kommunismus einzuschlagen, unüberwindbaren Hindernissen mitunter auszuweichen, also objektiv auch mal vom Kurs abzuweichen, aber letzlich immer wieder den angestrebten Kurs einzuschlagen.

Datum: Freitag, 17. Juni 2011 17:40
Themengebiet: Allgemein Trackback: Trackback-URL
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4 Kommentare

  1. 1

    Hallo zusammen,

    seit einiger Zeit habe ich den Eindruck, daß Menschen, die sich als Kommunisten bezeichnen, zwar unendlich viel über den Kommunismus gehört und gelesen haben, aber das, was sie gelernt haben fällt ihnen schwer es richtig umzusetzen.

    Ein Beispiel: ropri schreibt: „Wie sollen Menschen, die noch derart geprägt sind vom anderen System – andere Wertevorstellungen (…)den perfekt nach Lehrbuch beschriebenen Kurs beibehalten?“ und meint, daß mit diesen Menschen (mit all ihren Stärken und Schwächen) der Weg in eine andere Gesellschaftlichen Zukunft beschritten werden muß. Sie macht weiterhin darauf aufmerksam, daß nur mit der weiteren Entwicklung (auch Erziehung) des Menschen in seiner neuen Gesellschaft – eben auch diese gestaltet wird. Und das ist ein langer – sehr langer Prozeß und nicht mal eben per Dekret zu erreichen und dauert mehrere Generationen.

    Leider haben wir uns diesen Prozeß der Entwicklung eben dieses „neuen Menschen“ doch leichter vorgestellt als er sich tatsächlich vollzog. Aber bei vielen DDR-Bürgern sind heute mehr „DDR-sozialistische“ Eigenarten zu erkennen, als sie selbst es vermuten.

    Da bei G.A. nicht die Möglichkeit eines Kommentars besteht, möchte ich an dieser Stelle sowohl auf einen Punkt seiner Argumentation im Text zu K.G. (der ja anscheinend der Ausgangspunkt des Textes von ropri ist), als auch zu seiner „Kurze(n) Anmerkung zum Text…“ eingehen:

    Zuerst zum China-Text:
    Die Antwort von G.A. auf den Text von K.G. gefällt mir sehr gut.

    Hier wird der Beweis erbracht, daß auch manchmal von standhaften und ehrlichen Kommunisten die Weltgeschichte – bzw. historische Prozesse nach Möglichkeit im Zeitraffer geschrieben wird.
    Er begeht den Irrtum vieler, die an tagesaktuellen Erscheinungen – so schmerzhaft sie im Einzelnen auch sind (die besonders durch die Medien dieser Gesellschaft kolportiert werden) historische Entwicklungen werten wollen.

    Prof. Eike Kopf – aber auch Rolf Berthold – sprechen z.B. in ihren Vorträgen permanent über den Plan der KP Chinas bis in die Jahresetappen 2025 und 2050 durch die derzeitige Entwicklung eine erfolgreiche wiss./techn. hochentwickelte ökonomische Basis schaffen zu wollen/können (bei aller Kritik an E.K./R.B. – sie sind nun mal profunde Kenner der Politik Chinas sowohl von der Basis heraus, als auch Kenner der aktuellen Parteibeschlüsse…).

    Und ich glaube, K.G. meinte, genau auf diesen historischen Prozeßcharakter der Entwicklung auch in China hinweisen zu müssen.

    G.A. sollte sich in diesem Zusammenhang mehr mit Originaltexten zu China beschäftigen, als die Halbwissenden Ofenschlot bzw. Stromsau zu zitieren (z.B. in Texbeiträgen zu E.K.).

    Nun zur „Kurzen Anmerkung…“:
    Wenn ropri in ihrem Text auf ihre persönliche Wahrnehmung der Situation in China verweist – besonders des Staates und der mlP, dann sollte auch der nachfolgende Satz Beachtung finden: „In China hat man längst den Kurs Sozialismus verlassen und sich der Marktwirtschaft zugewandt.“

    Und hier kömmt wieder meine Sicht der Dinge: Der Epochebegriff wird wie immer nicht beachtet. Wir sprechen von historischen Zeiträumen. Und darauf macht ropri in ihrem Text aufmerksam.
    Aber schnell unterschlägt G.A. eben den nachfolgenden Satz.

    Jawohl – ropri: „Solange neue Wertevorstellungen nicht verinnerlicht sind und jeder sein Leben darauf einrichtet, ich gehe davon aus, daß das ein Prozeß von mehreren Generationen, also von mehreren hundert Jahren ist, müssen solche Kompromisse eingegangen werden.“
    So schmerzhaft sie auch sind – in einem Land mit 1,34 Milliarden Einwohnern (USA 311,5 Millionen), einer Fläche von 9,57 qkm (USA 9,62 qkm) – aber in China werden Versuche unternommen eine andere Gesellschaft als die heute bestehende für die Zukunft zu gestalten.

    Vielleicht sollten wir uns mehr bei Leuten informieren, „…die sich damit auskennen“.

    http://www.verlag-wh.de/buecher/ChinasWeg/index.html

    Stark bleiben!

  2. 2

    Lieber Bruttoertrag…,
    G.A. hat meinen Satz nicht unterschlagen – bitte schau, ich habe Datum und Uhrzeit vor diesen Satz gesetzt – G.A. hatte recht, ich hatte nicht konkret formuliert. Das habe ich mit meinem Satz nachgeholt.

  3. 3

    Liebe ropri,

    und ich habe mich gewundert, was dieses Datum da soll…
    Macht aber nichts, das „unterschlagen“ nehme ich zurück – alles andere bleibt.

    Stark bleiben!

  4. 4

    Lieber Bruttoertrag,
    Du hast ganz zurecht folgendes geschrieben: „Aber bei vielen DDR-Bürgern sind heute mehr „DDR-sozialistische“ Eigenarten zu erkennen, als sie selbst es vermuten“ Dem stimme ich voll und ganz zu!
    Hier mal was Nettes dazu: Die Ossi-Hymne von den Prinzen (< -- einfach anklicken und zuhören!)

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