das Grundübel der heutigen linken Bewegungen

Sonntag, 28. Februar 2010 19:37

Beim Lesen der „Niederlagenanalyse – Die Ursachen für den Sieg der Konterrevolution in Europa“ werde ich bei jeder Zeile unruhiger. Ich lese und denke: Das weiß ich doch längst! – Das ist genau das was ich ständig denke, sage oder schreibe! Ich bin bestimmt nicht arrogant oder überheblich bei diesen Gedanken, das war ich noch nie und werde es auch nie sein!

Wieder wird mir bewußt: Ich habe so viel theoretisches Wissen gepaart mit so viel praktischer Erfahrung, die einfach hier in mir schlummern und brachliegen, die ich aber nirgendwo nutzbringend anwenden könnte, weil mir dazu eine politische Palttform fehlt. Sooft ich danach gesucht habe, nach einer wirklich sozialistischen/kommunistischen Partei oder Organisation, war ich enttäuscht. Was mich stets abschreckt ist die Tatsache, daß alle erklären wollen, was Sozialismus wirklich ist. Niemand ist jedoch bereit, basierend auf einer wirklichen Analyse des Scheiterns z.B. der DDR und anderer soz. Länder sowie auf Analyse der real existierenden objektiven und subjektiven Voraussetzungen realsitische Tagesaufgaben inangriff zu nehmen. DDR? – dann wird abgewinkt – angefangen von: das war kein Sozialismus über: da wurde ja alles nur verkehrt gemacht bis hin zu: wir wollen ja nur soziale Verbesserungen, aber die Marktwirtschaft erhalten kommt mir so alles im sich links nennenden Spektrum vor.

Dabei bewegen sich die meisten linken Parteien, Gruppierungen in der Mitte – wollen sich in dieser Gesellschaftsordnung einrichten, soziale Reformen angehen, um das System für jede Bevölkerungsschicht erträglicher und ein bißchen gerechter zu machen.

Darin liegt das Grundübel der sogenannten Linken Bewegung in der Gegenwart. Zwar beruft man sich evtl. noch auf Marx, ist aber nicht in der Lage ihn tatsächlich auszuwerten. Unter „Auswertung“ verstehe ich dabei ihn zu studieren, zu verstehen und in die heutige Zeit zu übertragen. Die Entwicklung des Kapitalismus ist seit Marx enorm vorangeschritten, er zeigt sich facettenreicher, aber seinen Charakter hat er behalten. Geblieben ist auch, daß der Kapitalismus ihm innewohnende objektive Gesetzmäßigkeiten befolgen muß. Dabei steht an allererster Stelle: Profit!

Daß es in der BRD die so genannte „soziale Marktwirtschaft“ gab, hat objektive Ursachen, die sind der ehemaligen Existenz des sozialistischen Lagers zu verdanken, nicht aber etwa im „sozialen Charakter“ des Kapitalismus zu suchen. Vergessen wir nicht: DDR und BRD befanden sich beide an der unmittelbaren Grenze zwischen Kapitalismus westlich und Sozialismus östlich Europas. Beide mußten als Schaufenster der Systeme dienen. Vergleichsweise war der Lebensstandard in der DDR entsprechend höher als der z.B. in Rußland. Andererseits, und das ist aus heutiger Sicht, nämlich nach der von Stay-Behind-Armeen erfolgreich durchgeführten Vernichtung des Sozialismus in Europa, wesentlich entscheidender, war der Kapitalismus in der BRD nicht nur bereit, sondern auch gezwungen zu sozialen Reformen. Ohne die Existenz sozialistischer Länder wäre der Lebensstandard in der BRD wesentlich geringer gewesen, die Arbeitslosenrate höher, die Gehälter niedriger, hätte es keine Gesundheitsreformen im positiven Sinn gegeben, wären mehr Schulen und Universitäten kostenpflichtig usw. usf. Nur durch die Existenz der DDR und der anderen sozialistischen Ländern mußte die BRD bereit sein zu diesen sozialen Kompromissen. Es ging dabei um ihre Existenz: immer eine soziale Überlegenheit gegenüber dem Sozialismus vorzugaukeln.

Nicht umsonst begannen sofort nach der Okkupation der DDR in der BRD Reformen mit ganz anderem Charakter, die heute noch nicht abgeschlossen sind: die hart erkämpften sozialen Fortschritte wurden und werden Schritt für Schritt wieder abgebaut. Jetzt muß man nichts mehr vorgaukeln, jetzt kann man den wahren Charakter dieser sogenannten „sozialen“ Marktwirtschaft zeigen, jetzt läßt der Kapitalismus die Hosen runter und zeigt allen sozialen Errungenschaften den Stinkefinger. Er muß es auch tun, denn er muß objektiven Gesetzen gehorchen, um nicht von anderen überrannt, übervorteilt zu werden. Dazu sind alle Mittel recht – und hier können wir uns getrost auf die Worte von Marx und Lenin berufen, die haben heute dieselbe Gültigkeit wie vor 150 und 100 Jahren!

Das große Glück beim Abbau der sozialen Leistungen, beim Abbau des Lebensstandards, bei Beteiligung an Kriegen ist der Umstand: man kann sich berufen auf die DDR, die sei schuld daran! – zuviel Geld sei reingeflossen, um dort die Wirtschaft „wiederaufzubauen“, das Leben der Menschen zu verbessern und die Demokratie in ferne Länder wie Afghanistan zu bringen. Das alles koste ja viel Geld, deshalb muß jeder etwas zurückstecken. Das Verwunderliche daran ist, daß so viele Menschen diesen Lügenschleier zu lüften nicht in der Lage sind und dieses Lied mitsingen. Selbst linke Parteien stimmen allzu häufig in diese Melodie mit ein.

Auch hierfür gibt es Ursachen: Schulbildung und Studium haben von 1945 bis heute in der BRD hervorragende Arbeit geleistet: Sie zeichnen zum einen ein falsches Bild der DDR und des real existierten Sozialismus in Europa und tun alles, um die Bevölkerung politisch ungebildet zu lassen. Nur so läßt sich die Bevölkerung bereitwillig manipulieren, weil sie es nicht besser weiß.

Was mir immer wieder begegnet: Menschen, die zugeben, niemals vor 1989 in der DDR gewesen zu sein, die aber ganz genau wissen, wie schlecht wir dort gelebt haben. Ich, die ich in der DDR geboren und aufgewachsen bin, werde ausgelacht, ich hätte ja keine Ahnung – und man beginnt mir erzählen zu wollen, wie es wirklich gewesen war. Sobald ich mit der falschen Darstellung nicht einverstanden bin, werde ich in die „Stasi“ – Schublade gesteckt – das eigentliche und alles überragende Gespenst der DDR, das endlich besiegt wurde, wie legendäre Drachen im Mittelalter.

Dazu eine kurze Episode, weil sie so gut hierher paßt:

Ich hatte so um 1998/99 herum ein Vorstellungsgespräch im Liebherrwerk in Ehingen. Der Personalchef zeigte sich locker-gesprächig. Erzählte, daß sein Sohn in Dresden studiere und welche Ängste ihn dabei begleiten, sowie von derzeit schon im Werk arbeitetenden Menschen, denen irgendwann die Flucht aus der DDR gelungen war und die allesamt gute Arbeit leisten. Scheinbar beiläufig fragte er nochmal, wann ich in die alten Bundesländer kam. Er ging über vom Glück der Existenz des Internets, wo sich auch die Personalabteilungen aller Unternehmen schnell kurzschließen und austauschen könnten, zu schwärmen. Und dann kam er zum Kern: Wir Personalleiter großer Unternehmen sind uns in einem einig: Alles, was nach 1989 in die alten Bundesländer kam („alles“ – sind die Menschen, Arbeitskräfte) seien „stasibehaftet“ und für Unternehmen nicht tragbar.

Zum Gespenst „Staatssicherheit“ und zum Thema Geheimdienste überhaupt werde ich meine Gedanken zu einem anderem Zeitpunkt formulieren.

Solange also linke Parteien nicht in der Lage oder nicht gewillt sind, den wahren Ursachen auf den Grund zu gehen und vom Märchen einer sozialen Marktwirtschaft träumen, wird der soziale Abbau nicht nur in Deutschland rasant voranschreiten, werden immer neue Kriegsherde auf der Welt entstehen. „Marktwirtschaft“ = Kapitalismus, ist niemals sozial, wird er niemals sein, nein, kann er gar nicht sein. Wirklich linke Parteien kommen nicht umhin, den Kapitalismus zu überwinden auf ihre Fahnen zu schreiben. Das erfordert, sich von den Vorgaben des Grundgesetzes zu lösen, das ja gerade das unter Strafe stellt. Wirklich linke Parteien kommen also nicht umhin, außer der Marktwirtschaft auch das Grundgesetz abzuschaffen und durch ein neues zu ersetzen.

Der moderne Kapitalismus ist dazu übergegangen, Wünsche und Hoffnungen der Menschen nach Frieden, Wohlstand und Fortschritt aufzugreifen, deren Begriffe zu verwenden, ohne damit deren Inhalte zu meinen.  Davon lassen sich zu viele Menschen täuschen, ja betrügen.

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Bundesdeutsche Demonstrationsfreiheit

Samstag, 27. Februar 2010 14:16

Im Rückblick auf die Aktion „Dresden nazifrei!“ kamen mir zwangsläufig die Montagsdemos in der DDR in den Sinn, die in die Okkupation der DDR durch die BRD mündeten.

In Dresden kamen am  13.02.2010 rund 10.000 Menschen zusammen, die friedlich und erfolgreich das Marschieren der Nazis verhindern konnten.  Diese Gegendemo bezog sich nur auf das Nicht-Tolerieren eines Naziaufmarsches, wohlgemerkt, keine Kritik an Regierung oder Staat, kein Aufbegehren gegen den Abbau des Sozialstaates, kein Aufbegehren gegen den von Deutschland unterstützen Krieg in Afghanistan oder am kapitalistischen System überhaupt.

Trotzdem wurden die friedlichen Gegendemonstranten von bis über beide Ohren bewaffneten Polizisten eingekreist, von Hubschraubern überflogen und gefilmt, Wasserwerfer standen bereit, Pfefferspray-Pistolen wurden eigens im Schnellverfahren genehmig. Bis gegen 15:00 Uhr drohte die Situation zu eskalieren, mußten die Demonstranten Gewaltanwendung durch die Polizei befürchten. Dazu kam es zum Glück nicht. Jedoch wird heute gerade deswegen harsche Kritik am Polizeiverhalten geübt.

Wohlgemerkt: ich betone noch einmal: es ging nicht gegen die Regierung Merkel, nicht gegen das kapitalistische System, es ging lediglich gegen den Aufmarsch von Nazis!

Wie war das mit den Montagsdemos in der DDR? – Hier ging es den Demonstranten darum, die Politik der DDR in der Form nicht mehr zu dulden und Reformen einzufordern. Polizei und Kampfgruppen waren alarmiert, gingen aber nicht gegen Demonstranten vor. Einzig hat man anfangs, als es noch wenige waren, Demonstranten in Straßenbahnen gedrängt und sie so am demonstrieren gehindert. Es kam jedoch zu keinem Zeitpunkt zum Gewalteinsatz!

Nun stelle ich mir vor, in der BRD gingen montags immer mehr Menschen allerorts auf die Straßen, protestierten gegen schlechte Gehälter, gegen Krieg, gegen Sozialabbau, kämen dabei auf die Idee, daß ja der Staat, das System an sich das eigentliche Übel sei und forderten schließlich die Überwindung des Kapitalistimus selbst.

Was würde geschehen? Ganz sicher würde Polizei und gar Bundeswehr gegen die Demonstranten mit Waffengewalt vorgehen. Die Demonstrationen würden verboten werden, wären folglich gesetzwidrig. Das Grundgesetz selbst verbietet ja derartige Demonstrationen und organistionen, die sich gegen das Staatgefüge selbst richten. Also hätte man eine Handhabe, mit allen verfügbaren Mitteln, im Interesse und zum Schutz des Staates gegen die Demonstrationen vorzugehen.  Es gäbe ganz bestimmt nich nur eine paar wenige Verletzte. Denken wir nur an das harsche Vorgehen bei europäischen Sicherheitskonferenzen.

Ich kann mich nicht erinnern, daß auch nur eine Montagsdemo in der DDR beantragt und von Gericht genehmigt wurde. Die Menschen wollten Veränderungen und traten dafür ein – sie traten nicht ein für die deutsche Einheit, die Abschaffung der sozialistischen DDR, nein, sie wollten viele Dinge einfach wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Der Ruf nach der Einheit Deutschlands wurde später durch andere Elemente in die Demos hineingetragen.

Stelle ich mir weiter vor: die DDR Sicherheitsorgane wären 1989 mit Gewalt und zum Schutz des Staates gegen die nicht genehmigten Demonstrationen vorgegangen – man kann sich auch ohne viel Phantasie ausmalen, welche Hetzkampagnen vom kapitalistischen System ausgegangen wären. Vermutlich wäre es zu einem europäischen Krieg eskaliert – aber das sind Spekulationen.

Genausowenig Phantasie brauche ich, mir das alles andersherum vorzustellen – es würde reichlich Blutvergießen geben, massenhaft Verletzte, Gefangene, Demonstranten auf den Anklagebänken, die Gerichte hätten Hochkonjunktur.

Schon die Tatsache allein, daß hierzulande jede Demonstration genehmigt werden muß und der Staat das Recht hat, nichtgenehmigte Demonstrationen mit Gewalt aufzulösen und friedliche Demonstranten zu Straftätern zu machen sagt doch genug aus.

Soviel, nur ein winzig kleines Beispiel, zum „Unrechtstaat DDR“ und „Rechtsstaat BRD“ .

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Griechenland und der Euro:

Donnerstag, 25. Februar 2010 13:26

Junge Welt von gestern:
Anstieg der Staatsverschuldung seit Beginn 2007: Griechenland: 19,4 % – Frankreich 22,6 % – Japan 30,1% – USA 30,6% – Großbritannien 36,2% – Irland sogar 53%

Klar hat Griechenland gemogelt vor der Einführung des Euro. Gibt es auch nur ein Land, das das nicht tat? Aber der größte Falschspieler ist ja dabei wohl Deutschland!

meine Gedanken dazu:
Kohl hat bereits durch die Vereinnahmung und Zerschlagung der DDR-Industrie, durch das übereilte Durchpeitschen der Währungsunion erstmals eine drohende Krise abgewendet. Altbundesdeutsche Unternehmen, die kurz vor dem Aus waren, erholten sich etwas. Das dauerte nicht lange an, dann startete Kohl die Einführung des Euro, Schröder führte es ganz in Kohls Sinne zuende, trotz vielseitiger Proteste peitschte Kohl den Euro sehr schnell durch. Deutschland war das einzige Land, das dabei den Unternehmen freie Hand ließ und nicht auf eine Umrechnung des Euro gemäß der DM 1:2 bestand, wie es in anderen Ländern vorgegeben war. Damit verschafften die Marionetten Kohl und Schröder den deutschen Unternehmen einen gewaltigen Vorsprung (Vorteil) – durch die Umstellung auf den Euro 1:1 (natürlich nur für die Verbraucher) bei gleichzeitiger Halbierung der Löhne – man kaufte auf dem europäischen Markt günstiger ein. So fuhren deutsche Unternehmen Riesen-Extra-Profite ein. Außerdem wurden bereits billige Arbeitskräfte in Tchechien, Polen, Rumänien für viele Produkte eingesetzt, die Auslagerung der Produktion erfolgte fast über Nacht. Noch mal Extraprofite. Bei sovielen Vorteilen konnte Deutschland seine Produkte zu Dumpingpreisen auf den europäischen und überhaupt internationalen Markt bringen. Aber bleiben wir bei dem europäischen Markt. Deutschland wurde kurz darauf Exportweltmeister. Den Steuezahlern wurde in dieser Zeit darauf viel zugemutet – außerdem wurde HartzIV eingeführt, Mindestlöhne herabgesetzt, 1-€-Jobs eingeführt, damit der Staat nicht ganz „verhungert“. Deutschlands Industrie verdrängte viele Produkte anderer europäischer Länder vom Markt. Deren Produktion stagnierte. Hier schlug die Krise viel stärker ein, „dank“ Deutschlands. So hat Deutschland diese Defizite der anderen europäischen Länder selbst mit verschuldet, reibt sich die Hände. Und jetzt stellt sich Deutschland tatsächlich hin und beklagt, es würde durch Griechenland, Italien Irland… in der „Falle“ sitzen. Hauptsächlich durch Griechenland, dessen verschuldung nicht einmal die höchste ist im Vergleich?!

Immer wieder verstehen es deutsche Politiker, die Tatsachen auf den Kopf zu stellen. Die Medien machen brav mit. Sogar die Linken reihen sich klagend in dieses Lied ein. Wo um alles in der Welt leben wir eigentlich? In einem Zirkus, in einem Kabarett? Warum gibt es niemanden, der diese Zusammenhönge mal aufzeigt? Warum wehrt sich Griechenland nicht und zeigt mit dem Finger auf Deutschland?!

Es ist doch ein eingespieltes Komplott. In absehbarer Zeit werden wir die wahren Ursachen erfahren, die uns derzeit vorenthalten werden, weil es niergendwo mehr eine freie Presse gibt. Vermutlich sind in Griechenland die linken Kräfte am erstarken, ist der Wirtschaftsminister nicht ein Sozialist? Das wäre mir dann eine schlüssige Erklärung für diese Bestrafung. Mit aller Gewalt muß auch nur ansatzweise linke Politik niedergeknüppelt werden.

Junge Welt von heute:
Schon heute bestätigt sich beihnahe meine subjektive Fragestellung nach den Ursachen: Ganz Griechenland ist lahmgelegt – die Menschen dort sind sich einig – so geht es nicht! Anders als in Deutschland, wo immer nur ein Häuflein allein streikt, tat man sich in Griechenland zusammen. Selbst die Presse macht mit.

Haltet Durch, Griechen, bleibt kämperisch! Laßt Euch nicht die Butter vom Brot nehmen!

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3. Arbeitsstation – Bosch-Siemens Hausgeräte

Samstag, 20. Februar 2010 19:25

Ich bekam ca. 2 oder 3 Monate nach meiner Arbeit bei Tubo eine auf ein 3/4 Jahr befristete Arbeit im Logistikzentrum bei Bosch-Siemens Hausgeräte in der Exportabteilung als Eyportsachbearbeiterin – dazu verhalfen mir meine englischen und russischen Sprachkenntnisse.

Diese Exportabteilung war im ganzen Logistikunternehmen berühmt-berüchtigt, niemand ging freiwillig dorthin, um etwas zu klären, niemand wollte da länger sein, als unbedingt notwendig. Das erfuhr ich dann im Laufe der Zeit. Wieder mußte ich auf einen Teil meines vorherigen Gehaltes verzichten: satt vorher 4,0 TDM jetzt nur noch 3,5 TDM brutto, mit dem Versprechen. nach meiner Probezeit mehr zu zahlen. Urlaub wurde mir als Berufsanfängerin gewährt – Mindesturlaub also. Keine Unterstützung für Kilometergeld. Wenigstens konnte man damals noch jeden Kilometer steuerlich absetzen. Ich hatte einfache Strecke 125 km, also täglich 250 km, von Esslingen am Neckar, nach Giengen an der Brenz, zu bewältigen und zurück. Wer arbeiten will, geht solche Kompromisse ein!

Mein erster Arbeitstag im Großraumbüro: ich grüße alle – eisige Kälte schlug mir entgegen, niemand grüße zurück. Na Prosit! Der Gruppenleiter gab mir Aufgaben für die nächten 4 Wochen: ich mußte Ablage für Mitarbeiter machen, die das in ihrer Arbeistzeit nicht geschafft hatten. 4 Wochen lang 8 Stunden täglich Ablage. Vielleicht hätte ich das ablehnen können, ich biß jeoch die Zähne zusammen und machte es. Ich wußte nicht, nach welchem Prinzip, was wohin zuzuordnen war, fragte ich jemanden, wurde ich grob angemuffelt, ich soll nicht stören. Irgendwann war der Berg bewältigt.

Ich mußte mich einarbeiten in SAP! Daß es SAP gab, wußte ich, hatte aber noch nie damit zu tun. keine benutzerfreundliche Bedienung, stattdessen nur Codes, die ich in Form einer Liste neben dem Computer fand. Ich sprach eine/n Kollegin/en nach der anderen an, ob man mir etwas erklären könne, NEIN! Ich fragte, ob ich mich wenigsten nur daneben setzen dürfe, NEIN!, das stört. Ich war in dem Zwang LKW mittels der SAP Software zu beladen – Ungarn, Litauen, Rumäneien, vornehmlich, aber wie? Mühsam berechnete ich mir anhand der Maße der Elektrogeräte und des Volumens des LKW, wieviel überhaupt reinpaßte, es gab Listen, wo Bestellungen standen und, das wichtigste! – es gab einen Kampf um bestimmte heiß begehrte Geräte, die nur in geringer Zahl vorhanden waren. Da gab es Schieberien, daß diese Geräte schon im Vorfeld per SAP aus dem Lager genommen wurden, um sie bestimmten Kollegen zuzuschanzen.

Ich nahm mir also eine Bestellung zur Hand und begann meinen ersten LKW zu beladen. Irgendwie kam ich mit der Sofware (SAP) nach und nach zurecht. Es kamen erste Anrufe von Transportunternehmen aus Österreich, Schweden, Deutschland, die diese Länder befuhren. Jeder wollte Aufträge. Ich kannte keine Hierarchien, vergab die ersten Aufträge.

Kollegialität gab es in diesem Großraumbüro nicht. Niemand sprach mit mir, selbst in den Pausen saß ich einsam, wie eine Aussätzige, auf meinem Stuhl und aß mein mitgebrachtes Pausenbrot. Wo war ich da nur hingeraten?!

Eine Kollegin: „Frau R., Sie haben ja LKW beladen?! Wie haben Sie das geschafft? Zeigen Sie mal her, ob das stimmt. Wer hat ihnen geholfen?“ Alles war richtig. Diese Kollegin wurde das eine Mal gesprächig und sagte weiter: „Tja, ich habe ja nicht studiert, so wie Sie, aber ich vediene viel mehr als Sie. Für Ihren Hungerlohn würde ich früh nicht aufstehen. Und Urlaub habe ich auch viel mehr als Sie, fast den doppelten.“ Sie war 12 Jahre jünger als ich, posaunte raus, daß sie mit einer Kollegin vom Betriebsrat befreundet sei, die ihr alles über meinen Arbeitsvertrag gesagt habe.
Ich telefonierte russisch und manchmal englisch. Sagte diese Kollegin: „Was, englisch können Sie auch?! – Woher können Sie das alles?!“ Irgendwie schaffte ich es, am Tag ein paar LKW zu beladen – ich kam an die Menge der „Profis“ ran. Kaum jemand von den so viel mehr verdienenden KollegInnen sprach englisch, geschweige denn russisch. Manchmal wußten sie, daß es mich gab, wenn etwas übersetzt werden sollte, oder ein LKW-Fahrer kein deutsch sprach.

Daß ich es geschafft hatte, die Leistung der anderen zu erreichen, ohne jemandes Hilfe, konnte nicht angehen! Der Gruppenleiter mischte sich ein – ich sollte für 2 andere Kollegen LKW beladen, die stünden derart unter Druck und bräuchten Hilfe.  Ich half – gern doch! Und belud 1 knappen Monat lang für 2 Kollegen LKW.

Monatlich mußten wir unseren Arbeitsnachweis in Form von LKW-Ladungen nachweisen. Ich hatte enorm viel geschafft mehr als andere. Mein Gruppenleiter kam wieder. Ich hätte nicht korrekt abgerechnet. Da seien ja jede Menge LKW anderer Kollegen, denen ich geholfen hatte. „Das ist natürlich nicht Ihr Umsatz – das muß den Kollegen gutgeshrieben werden.“ erklärte er mir. Ich war fassungslos: es war doch meine Monatsarbeit! So hatte ich nach dem Papier am Monatsende fast nichts getan, die anderen dafür um so mehr!

Ich bekam daraufhin Besuch vom Abteilungsleiter – er sei unzufrieden mit meiner Leistung, deshalb bekäme ich nicht, wie vorher vereinbart, mehr Gehalt, sondern bleibe auf dem niedrigen Niveau. Ein fieses, hinterhältiges Spiel wurde da auf meine Kosten gespielt!

Dann waren Überstunden angesagt – wir mußten uns 16:00 Uhr aus dem System abmelden, dann wieder ohne Zeituhr an unsere Arbeitsplätze und unentgeltlich ein paar Stunden dranhängen. Für mich bedeutete das, daß ich, bedingt durch 3 Stunden Fahrzteit und mehr, je nach Verkehrslage, weniger Schlaf abbekam und täglich  zweimal übermüdet die Autobahn auf- und abraste.

Kurz vor Weihnachten barmte Siemens, man könne leider kein Weihnachtsgeld zahlen, die Geschäftslage erlaube es nicht. Es gab Sachprämien. Sogar ich, die ich erst 1/2 Jahr dabei war, bekam einen Fön und eine elektrische Brotschneidemaschine. Das freute mich, weil ich damit nicht gerechnet hatte!

Nur einen Monat später verkündete Siemens in der Betiebszeitung Rekordgewinne. Das paßte doch gar nicht zusammen!
Als der befristet Vetrag nach dem 3/4 Jahr auslief ließ ich nicht verlängern, es ging psychsich und physisch an den Rand des Belastbaren. Als ich am letzten Tag ging und mich, anständig, wie ich bin, von allen verabschieden wollte, reagierten die Kollegen wie am ersten Tag – mit Eiseskälte, ich war einfach Luft.

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2. Arbeitsstation – Tubo

Samstag, 20. Februar 2010 19:00

Nur 3 Monate nach meiner Kündigung am Theater hatte ich ein sehr gutes Vorstellungsgespräch, wo der Geschäftsführer leider, denn das hätte mir gut gefallen, zu viel Zeit zum Überlegen brauchte, als ich  eine Arbeit über eine Zeitarbeitsfirma, allerdings über’s Arbeitsamt, angeboten bekam. Sonst hätte ich (noch) nicht den Willen gehabt, mich mit so einer Zeitarbeitsfirma einzulassen, mußte es in diesem Fall.

Es war das Bauunternehmen „TUBO Haus und Handwerk“ mit allen Gewerken unter einem Dach für die schwäbischen wohlhabenden Häuslebauer. Den Geschäftsführer, der die Firma einst mit 3 Leuten gründete (ein Türke), hatte die Bank einfach vor die Tür gesetzt, als dieser ein paar Millionen Umsatz im Jahr machte, um den Laden zu „sanieren“. Hinter vorgehaltener Hand wurde gemunkelt, nichts konkret ausgesprochen, wie man dem Türken zugespielt hatte, der bei allen Angestellten sehr beliebt war und tolle Löhne gezahlt hatte. Jeder sollte vom Kuchen ein Stück abhaben, das war sein Erfolgskonzept.

Die Bank schnürte die Kredite enger, versagte ihm wetere Kredite gänzlich unter fadenscheinigen Gründen, warf den Geschäftsführer schließlich vor die Tür (weil sie 51 % Ateile hatte, konnte sie das) und einen Banker zur Sanierung auf dessen Sessel. Es wurde ein neuer Geschäftsführer eingestellt, haufenweise Mitarbeiter entlassen, aber man brauchte jemanden, der neue Preislisten erstellte und diverse Dinge organisierte.

Man fand Gefallen an mir, ich setzte durch, nicht über die Zeitarbeitsfirma eingestellt zu werden, erhielt einen direkten Arbeitsvertrag als kaufmännische Angestellte. Zwar mußte ich auf 500 DM Gehalt verzichten, verdiente statt 4.500 DM nur noch 4.000 DM, sollte aber nach der Probezeit mein vorheriges Gehalt bekommen.

Ich saß mit dem Assistenten der Geschäftsleitung, einem sehr sympathischen Bauingenieur, zusammen im Nachbarzimmer von dem obersten Chef, dem Banker, Herr B. Mein Kollege, Herr St., und ich hatten vom ersten Tag an eine Wellenlänge. Es war ein sehr angenehmes Arbeiten, auch mit den anderen Angestellten des Handwerkbetriebes. Mit Freude fuhr ich täglich die ca. 35 km einfache Strecke, für die ich meist 1 Stunde Wegzeit brauchte.

Streß? – Wer einmal Theater geschnuppert hatte, empfand diese Arbeit als Erholung!.
An meinem dritten Arbeitstag lag frühmorgens ein Schokoladenriegel auf meinem Schreibtisch, darunter ein Zettel von der Sekretärin der Geschäftsführers: „Schön, daß Sie bei uns sind!“.

Nach ca. 3 Wochen Arbeit, mein Kollege war gerade auf irgendeiner Baustelle, betrat plötzlich  Herr B. mein Zimmer und bat mich um ein belangloses Gespräch. Er schüttelte mir die Hand und sagte: „Frau R., Sie sind eine echte Bereicherung für das Unternehmen!“. Ich wurde in Content-Management-Systemen geschult, erhielt weiterreichende selbständige Aufgaben und wurde fortan zu Sitzungen der Geschäftsleitung hinzugezogen. Herr B. befragte mich oft zu Problemen, wollte meine Meinung und manchmal auch meinen Rat einholen.

Mitarbeiter kamen zu mir, wenn sie Fragen rund um den PC hatten, ich half wo immer ich konnte, fühlte mich sauwohl. Auf einmal waren die hohen Kosten einer Computerfirma, die den Laden PC-mäßig betreute von vorher 4-stelligen Monatbeträgen fast auf 0 geschrumpft. Darauf war ich stolz.

Bis eines Tages ein zusätzlicher 2. Geschäftsführer eingestellt wurde. Der sah nicht nur so aus, er war bretzdoof – holte mich: sein Drucker wäre kaputt – und hatte lediglich vergessen, Papier einzulegen. Ein zweites Mal war sein Drucker wirklich kaputt – Nein! – er hatte den Stecker aus der Buchse gezogen! Dieser Typ hatte sich Lorbeeren bei der Abwicklung von Ostbetrieben verdient, indem er skrupellos ganze Belegschaften vor die Tür gesetzt hatte.

Es war klar, was er hier für eine Aufgabe zu erledigen hatte. Schmutzige Arbeit wird hierzulande gut bezahlt. Die Auswirkungen kamen promt. Da war einer geübt im Umgang mit Kündigungen. Eine junge Mitarbeiterin, immer guter Dinge, bekam eine erste Abmahnung , weil sie auf dem Gang zu laut gelacht hatte. Die zweite Abmahnung kam, als sie zu laut vor einer Tür fluchte. Sie lachte noch einmal auf dem Flur und erhielt die Kündigung. Das ist nur ein Besipiel das ich hautnah miterlebte.

Herr B. setzte weiterhin auf mich, wollte eine Kollegin aus dem IT-Bereich entlassen, weil deren Gehalt (14.000 Mark/Monat) zu hoch sei. Sie war selbständig und hatte mit dem alten Geschäftsführer der Firma TUBO einen guten Vertag ausgehandelt. Diese Frau hatte alles IT-mäßige aufgebaut, ihr Wissen nie weitergegeben und war dadurch alleinige Wissensträgerin auf ihrem Gebiet. Herr B. fragte mich nach meiner Meinung. Ich sagte: „Auch wenn sie jetzt in die Tischkante beißen, Sie können diese Frau nicht entlassen, wenn Sie das Unternehmen erhalten wollen. Sie haben schon so viele Leute entlassen, können in dieser Situation doch nicht auf alle Wissensträger verzichten.“ Möglicherweise habe ich damit mein eigenes Todesurteil ausgesprochen?

Ich sollte nach 6 Monaten Probezeit mehr Gehalt bekommen. 7 Monate waren vergangen, ich fragte beim Geschäftsführer an. Der erschrak – „Ist die Probezeit schon rum? Das haben wir ja verpaßt! Wie schnell die Zeit vergeht“. Lächelt und verläßt das Zimmer. Nur wenige Minuten später stand dieser neue bretzdoofe Unsympath im Zimmer, sagte kein Wort und reichte mir einen A-4 Zettel. – Meine Kündigung in nur 2 Sätzen! Ich rief ihm hinterher: „Tun sie sich und dem Unternehmen wenigstens den Gefallen und schreiben Sie hier einen Kündigungsgrund rein. So ist das Ding beim Arbeitsgericht der Renner.“ – Er grinste und bot mir eine Abfíndung in Höhe eines Monatsgehaltes an, die ich ablehnte. Der Geschäftsführer und auch Herr Bruder waren auf einmal nicht mehr zu sehen, nicht mehr zu sprechen; ich sah sie jedenfalls nie wieder.

Diese Kündigung kam so unerwartet und plötzlich, ich weiß bis heute nicht den Grund, daß sie sich auf der Stelle auf meinen Darm schlug, oben und unten floß es nur so raus aus mir – ich fuhr, mußte es, schleunigst nach Hause. Ein Monat über der Probezeit, da hat man zwar Kündigungsschutz, aber ich malte mir meine Chancen vor Gericht aus. Diesen Betrieb wollte ich nicht noch einmal betreten. Ich ließ mich krankschreiben. 2 Tage später wurde ich zum Vertrauensarzt geschickt, dieser Unsympath zweifelte an, daß ich krank sei. 3 Ärzte bescheinigten unabhängig voneinander meine Arbeitsunfähigkeit.

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Erste Arbeitstation nach 1993 – Württembergische Landesbühne

Samstag, 20. Februar 2010 18:34

Daß ich arbeitslos bin, habe ich meinem über alles verfluchten Stolz zu verdanken. Den habe ich schon von klein an, schon seit dem 3. Lebensjahr!
Die Arbeit am Theater in Esslingen habe ich geliebt. Nach nur einem reichlichen Jahr dort wurde ich in den Personalrat gewählt, ich hatte mich immer für andere eingesetzt. Später hatte sich ein Bühnenmeister hinter der Bühne erhängt, andere wurden zu Alkoholikern.
Als ich wegging wurde mir gesagt . es sei nicht mehr so schön ohne mich.

Ich war als Organisationsleiterin gleich die nächste Instanz nach Intendantin und Verwaltungsleiter, hatte den ganzen Theaterbetrieb mit Künstlerischen Betriebsbüro und technischer Leitung abzustimmen, war Kontakperson zu den Kulturämtern Baden-Württembergs (wir waren ja die Landesbühne) und habe nebenher Büromaterial für die Verwaltung eingekauft. Es war Streß pur, aber auch eine schöne Arbeit.

Der Verwaltungsleiter legte mir zunächst die Welt zu Füßen, gab mir schon beim Einstellungsgespräch hinterher bei einem Kaffee zu verstehen, daß die Intendantin nichts tauge. Er wollte mich als sein Spielball gegen die Intendantin aufbauen, war selbst ein Psychopath. Er traute niemandem über den Weg, mißbrauchte willfährige Leute für seine Intrigen. Es war ihm ein Dorn im Auge, daß eine Frau Intendantin war. Der Kampf gegen sie war schon im vollen Lauf, als ich dort anfing. Mitunter sprachen beide kein Wort miteinander, alles auf meine Kosten, denn ich mußte ja irgendwie die Organisation bewältigen. Mach das mal, wenn einer Hü, der andere Hot sagt. Ich kümmerte mich bald um den richtigen Einsatz der Computer, die bis dato nur als Schreibmaschinen dienten und führte eine Theatersoftware ein.

Irgendwann, nach 2 Jahren, kamen dann konkrete Forderungen des Verwaltungsleiters an mich, gegen die Intendantin vorzugehen. Er forderte Kulturämter auf, sich direkt beim Bürgermeister zu beschweren, ich sollte meinen Teil beitragen. Auch Schauspieler heuerte er für seine miesen Ziele an. Techniker wurden erpreßt, ich bekam das alles mit, war z.T. Zeugin. Ich sollte dazu auch Statistiken verfälschen um den Nachweis zu erbringen, es ginge durch diese Frau den Bach runter, war aber nicht so. Ich habe ihm klar gesagt: „Ich habe früher nie Statistiken gefälscht, werde das auch jetzt nicht tun!“ da tat er es eben selbst.

Nun gut, über Kultur kann man streiten, mir gefiel das meiste auch nicht, was da auf die Bühne kam. Am allerwenigsten gefielen mir die Heucheleien, die Hinterfotzigkeit, das Lügen, die Intrigen unter den Künstlern und den anderen auch. – Aber bitte ohne mich! Die Intendantin war auch nicht unbedingt meine Kragenweite, rein menschlich gesehen, aber was da gegen sie lief war weit unter der Gürtellinie.

Weil ich mich den Spielchen des Verwaltungsleiters, Ernst hieß er, widersetzte, wurde ich zu seinem Mobbingopfer. Ich setzte mich mit beiden an einen Tisch, ihm und der Intendantin, Rohwedder (die Mutter übrigens von der Voss), um wieder zu einer ertragbaren Arbeitsatmosphäre zu kommen. Natürlich ohne Erfolg, mit dem Ergebnis immer größerer Schikanen. Ich „durfte“ nicht mehr zu den Kulturämtern fahren, mit Kollegen reden… er hetzte willfährige Kollegen gegen mich auf… Die Intendantin lehnte sich zurück und sagte doch tatsächlich: „Seit er mit Ihnen den Zoff hat, läßt er mich wenigstens in Ruhe.“ Damit hatte es sich für sie erledigt.

Nach einem Jahr intensiven Mobbings, 3 Jahre dieser Arbeit am Theater, ging ich zum Arzt – als ich vor diesem saß und sprechen wollte, kam kein Wort heraus – ich hatte einen Weinkrampf, hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Mir war das peinlich. Er fragte nichts, sagte nur: ich kann sie bis zu 6 Wochen krankschreiben. Hinterher erfuhr ich, daß er ähnlich gelagerte Fälle aus dem Theater als Patienten hatte, er kannte das.

Während dieser 6 Wochen entschloß ich mich, die Kündugng einzureichen. Ich rief alle Kulturämter, zu denen ich immer ein gutes Verhältnis hatte, an, entshuldigte mich, falls es zu Fehlern bei den Plänen käme, daß es nicht am Theater läge, sondern an mir, weil ich gekündigt habe. Ich wollte nicht, daß das Theater durch mich einen schlechten Ruf erhielte.

Dann ging ich zum Arbeitsamt, kündigte „aus Besonderem Grund“ – man muß die plausiblen Gründe offenlegen, dann wird man nicht gesperrt. Zu Hause weinte ich mr die Seele aus dem Leib, denn ich hatte diese Arbeit so sehr geliebt! Vermutlich hatte ich danach beim Arbeitsamt ein Schandmal in den Unterlagen, das jedem Unternehmen, das mich einstellte, gezeigt wurde… jedenfalls kamen nur noch befristete Verträge. Mit jedem befristeten Vertrag mehr mußte ich mich mehr rechtfertigen – es ist paradoxer Weise ein großes Makel, wenn man nach einem halben Jahr wieder gehen muß, daß es aber heute gang und gäbe ist, wird ignoriert.

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mein Studium an der KMU

Freitag, 19. Februar 2010 17:18

Wie der Haß auf Partei und sozialistische DDR langsam entstand, bekam ich 2-mal in Leipzig am eigenen Leib zu spüren. Das erste Schlüsselerlebnis schnitt tief in meine Lebensplanung und weitere Entwicklung ein:

1972, nach dem Abi, suchte ich mir einen Studienplatz aus. Ich wollte unbedingt weg von zu Hause, weil ich kein gutes Auskommen mit meinen Eltern hatte. Mein Stiefvater warf mir und meiner Schwester ständig vor, daß wir nicht seine Kinder seien, er schlug uns grundlos, wenn er auf Arbeit oder sonstwo Ärger hatte mußten wir das ausbaden. Wir wurden zu Hause sozusagen eingesperrt, durften nicht mit Freunden raus. Besonders schlimm wirkte sich das aus, als die Klassenkameraden abends ins Kino, am Wochenende zur Disko, mit Freunden auf den Rummel gingen, sich einfach trafen und in den Ferien auch mal gemeinsam zelteten. Das alles blieb mir versagt. Ich hatte nur ein Ziel: Weg von diesem Ort, weit weg von zu Hause und mein eigenes Leben aufbauen! (Ich erwähne das, weil es mich geprägt hatte für den Rest meines Lebens. Diese Kindheit hatte mir mein Selbstwertgefühl zerstört. Ich habe es erst viel, viel später im Berufsleben Schritt für Schritt aufbauen können.) Ich zählte zu denjenigen Abiturienten, die wegen guter Leistungen für ein Studium „besonders geeignet“ waren.

Das Lernen war mir immer leicht gefallen. Bereits mit 4 Jahren konnte ich lesen, bald darauf schreiben und rechnen, ohne daß mir das jemand beigebracht hätte. Wenn meine Schwester, 3 Jahre älter als ich,  Hausaufgaben machte, löste ich ihre Aufgaben schneller. Mit 4 Jahren las ich mein erstes Kinderbuch. Mit 7 Jahren gefielen mir Kinderbücher nicht mehr, ich griff zum Kommunistischen Manifest. Das war richtig spannend! Danach fing ich an, das Kapital zu lesen, aber das war dann doch zu schwierig, also legte ich es für viele Jahre zurück in den Bücherschrank. 🙂

Ab dem 3, Schuljahr besuchte ich eine Schule mit erweitertem Sprachunterricht, machte Ende der 10. Klasse in Russisch mein Abitur und Ende der 12. Klasse die Sprachkundigenprüfung IIa.

1971, als ich noch an der EOS war, stellte ich meinen Antrag, in die Partei aufgenommen zu werden. Da war ich sehr hartnäckig und wurde im selben jahr Kandidat der SED. Ich hatte mich für ein Studium der Geschichtswissenschaft an der Karl-Marx-Uni Leipzig entschieden. Zum ersten Mal seit 10 Jahren wurden in der DDR insgesamt 10 Historiker ausgebildet. War ich stolz darauf! Ich selbst faßte dieses Studium als politisches Studium auf. Dann war ich doch sehr überrascht, daß außer mir nur noch ein Kommilitone Genosse war. Ein anderer Kommilitone war Mitglied der LDPD. Insgesamt waren die anderen Kommilitonen, so stellte sich sehr schnell heraus, meist unpolitisch oder gegen die SED und gegen die DDR eingestellt. Mit uns studierten 3 ausländische Kommunisten: eine Finnin, ein Kolumbianer, ein Dominikaner. Gleich zu Studienbeginn wurde ich als Seminargruppensekretärin eingesetzt. – In dieser Seminargruppe alles andere als eine dankbare Aufgabe.

Da ich Russisch bereits die Sprachkundigenprüfung erfolgreich abgelegt hatte, bat ich darum, als Gasthörerin an der Sektion Theoretische und angewandte Sprachwissenschaften meine Russischkenntnisse zu vertiefen. Ich brachte es dabei bis zur Übersetzerin, konnte als Gasthörerin jedoch keine Prüfung ablegen.

Zu Beginn des 2. Studienjahres wurde ich als einzige Studentin meines Studienjahres Hilfsassistentin am Lehrstuhl „Geschichte der KPdSU“, half bei der Übersetzung einer Enzyklopädie vom Russischen ins Deutsche.

In den ersten Wochen des 2. Studienjahres ließ unser Seminargruppenbetreuer, Dr. Z., von mir eine Versammlung einberufen. Die männlichen Studenten wurden angesprochen, sich als Reserveoffiziere zu verpflichten. Dr. Z. leitete diese Versammlung. Er stieß auf heftigsten Widerspruch, selbst ein paar weibliche Studentinnen empörten sich. Erfolglos wurde die Versammlung abgebrochen, bevor sie eskalierte.

Am selben Tag fand anschließend eine Sektionsparteiversammlung statt. Also ging ich gemeinsam mit Dr. Z. dorthin, was, wie ich später erfuhr, mein „Verhängnis“ werden sollte – ich stünde mit ihm unter einer Decke…

Der nächste Tag begann mit einem Seminar zur Urgesellschaft. So, wie ich den Seminarraum betrat und meine Kommilitonen begrüßen wollte, verließen diese geschlossen den Raum. Ich ging zu ihnen raus, um mit zu plaudern, da wandten sich alle von mir ab und gingen wieder rein. Beim dritten Mal begriff ich, was da los war: sie hatten sich alle gegen mich verschworen. Nur konnte ich nicht recht verstehen, warum? Ich hatte zu allen immer ein gutes Verhältnis und auf einmal sprach niemand mehr mit mir? Wenn ich jemanden ansprach drehte die-/derjenige sich weg. Also setzte ich mich und sagte nichts.

Von dem Tag an ging ich allein zu Vorlesungen, Seminaren oder anderen Veranstaltungen, nur Studenten anderer Sektionen oder Seminargruppen redeten mit mir, Ich sprach mit Dr. Z. darüber, aber der lachte nur und tat es als Kinderkram ab. Die Genossen ML/Geschichte unserer Sektion „feierten“ mich als „Partisanin unter Feinden“. Wie ich mich fühlte, muß ich wohl nicht betonen. Ausgerechnet wurde ich im 2. Studienjahr auch noch Mitglied der Sektionsparteileitung! Das verschärfte die Situation noch mehr. Ende des 2. Studienjahres sollten in Berlin die Jugendfestspiele stattfinden. Ich wurde Delegierte und freute mich riesig darauf. Kurz zuvor wurde ich jedoch angesprochen, ob ich auf die Weltfestspielteilnahme verzichten würde, man bräuchte mich als stellvertretende Leiterin des in diesem Jahr in der DDR einzigen internationalen Studentenlagers in Thräna (Nähe Borna). Selbstverständlich verzichtete ich auf Berlin und tat meine Pflicht.

Das dritte Studienjahr begann wie das 2. endete – die Kommilitonen betrachteten mich als politisches Übel der Seminargruppe. Wenigsten erfuhr ich von einer Kommilitonin, S.,: daß, dieses Verhalten mir gegenüber politisch begründet war. – Die Seminargruppe warf mir vor, daß ich in der Partei war, daß ich Hilfsassi war und Mitglied der Sektionsparteileitung, daß ich zu wissenschaftlichen Konferenzen geschickt wurde. Noch dazu durfte ich mit 7 weiteren Studenten einer anderen Seminargruppe nach Kiew und Leningrad fahren, an der Kiewer Uni Vorlesungen hören und ein Seminar besuchen. Diese Kommilitonin, S., warf mir zusätzlich vor: „Du bist immer nur freundlich und hilfsbereit – das kann nicht echt sein.“ – Diesen Satz verstehe ich bis heute nicht!

Ich hatte bald keine Kraft mehr, diesem Druck standzuhalten, wurde ständig krank. Ich bat am Ende des 5. Semesters die Sektionsparteileitung, in den Abbruch meines Studiums einzuwilligen. Die hatten bereits Pläne mit mir, die ich damit durchkreuzte; für mich war es ein äußerst schmerzlicher Entschluß.

4 Jahre später, mein Sohn war bereits geboren und 2 Jahre alt, machten wir Urlaub im Thüringer Wald. An einem Tag besuchten wir das Puppenmuseum in Sonneberg. In der Eingangshalle sah ich die ehemalige Kommilitonin S. stehen, die offensichtlich im Museum arbeitete. Ich rief sie, sie drehte sich weg. Kurz darauf kam sie zu mir, begrüßte mich und sagte verlegen: „Petra, Du begrüßt mich hier so einfach, obwohl wir Dir das alles angetan haben. Ich schäme mich dafür.“

Noch heute schmerzt es mich, daß ich nicht die Kraft hatte, unter diesen Umständen mein Studium abzuschließen.

Das zweite Erlebnis ereignete sich Ende 1986. Ich hatte ein Fernstudium (EDV-Ökonomie) und anschließend die Bezirksparteischule absolviert,  (ich hatte wunderbare Kollegen, die mir immer zur Seite standen) und  war von meiner fachlichen Tätigkeit als Lehrkraft für internationale Techniker von ESER II Anlagen (unserer großen Rechenanlagen) in die politische Tätigkeit als stellvertretende Parteisekretärin des Robotron-Anlagenbau delegiert worden. Ich hatte mich dagegen gewehrt, was da für „Genossen“ im Parteiapparat wären, dazu wollte ich nicht gehören. Nichtgenossen, mit denen ich darüber sprach, sagten zu mir: „Weil Leute wie Du, die besser wären, diese Arbeit ablehnen, wird sich nie etwas ändern. Mit Dir kann man reden, Du solltest es tun!:“. Das hatte ich mir zu Herzen genommen.

Kurz darauf erzählte mir mein Sohn, damals in der dritten Klasse, seine Klassenkameraden würden ihn stets ärgern, weil ich in der Partei sei. Seine Mitschüler sagten, Honecker würde lügen, und er, mein Sohn, hielte dagegen, daß das nicht stimmt. An einem Tag rief er mich auf Arbeit an, weinte, ich soll nach Hause kommen, die anderen ärgerten ihn, wollten ihn schlagen. Das Ganze hatte dann ein Nachspiel. Die Direktorin der Schule bestellte die betroffenen Schüler und meinen Sohn zu sich. Ich ging hin, die Direktorin, verweigerte mir das Gespräch und den Zutritt und warf mich sehr schroff einfach raus. Eine Nachfrage bei SED-Kreisleitung ergab: man könne mir nicht helfen, die Direktorin sei in einer anderen Partei und würde nur Probleme machen. Man käme dagegen nicht an.

Das sind nur 2 für mich einschneidende Erlebnisse gesellschaftspolitischen Ursprungs, die ich irgendwie ganz allein bewältigen mußte ohne Hilfe zu erhalten. Sie zeigen aber deutlich, daß sich die Konterrevolution nicht unbemerkt quasi über Nacht formierte. Leipzig war die Messestadt. In Leipzig fanden die ersten sogenannten Montagsdemos statt. Leipzig wird heute als „Heldenstadt“ bezeichnet.

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Gedanken zum Dresdner Erfolg

Donnerstag, 18. Februar 2010 12:29

Ich hatte einen Klassenlehrer, Herr Amme, der nicht nur geliebt, weil streng, war, der definierte uns mal den Begriff „Glück“ und meinte, glücklich ist ein Mensch erst, wenn es die gesellschaftlichen Prozesse erlauben. Solange es Leid und Unglück auf der Welt gibt, könne man nicht glücklich sein. Später, wir hatten 1977 ein Klassentreffen, fragte mich Wilfried, ein ehemaliger Mitschüler: „Petra, bist Du glücklich?“ Ich sagte spontan „Ja!“, hatte vor einem Jahr einem Sohn das Leben geschenkt, stand mit beiden Beinen im Berufsleben, hatte damals eine glückliche Ehe, und lachte. Er fragte nach: „Auch nach Ammes Definition?“.Das Unglück, die Kriege, das Leid, alles war damals so weit weg. Es war schlimm, ja, ich war ja auch damals politisch aktiv, aber es berührte mein Leben nicht unmittelbar – oder fehlte mir ganz einfach die politische Reife? Seit es die DDR nicht mehr gibt, denke ich immer wieder an diese Frage meines Mitschülers und begreife, was unser Lehrer damals meinte. Wir haben, trotz aller Probleme und Widersprüche, in der DDR ein sorgloses Leben führen können, ohne Existenzängste, ohne unmittelbare Bedrohung, anerkannt am Arbeitsplatz, Solidarverhalten der Menschen, uneigennützige gegenseitige Hilfe, Nachbarn, mit denen man sprach… Heute sind Krieg, Elend, Haß, Mißgunst, Egoismus so nahe gerückt und allgegenwärtig, daß sich die Definition „Glück“ meines Lehrers bewahrheitet. Es ist alles so nahe gerückt, daß ich befürchte, auch wir werden einen Krieg erleben müssen. Davor habe ich manchmal ganz unmittelbar Angst.

Dresden hat mir zweierlei vor Augen geführt: Bürgerbewegungen können Zeichen setzen:

  1. Bürgeraktivitäten wie diese in Dresden sind durchführbar, solange sie nicht die Grundlagen dieses Staates infrage stellen.
  2. Eine vereinte Linke kann einen groß geplanten Naziaufmarsch verhindern, kann die Polizei abhalten, gewaltsam vorzugehen.
  3. Eine vereinte Linke ist durchaus in der Lage Zeichen zu setzen.

ABER machen wir uns nichts vor:

  • Es gibt in Deutschland keine vereinte Linke! Es gibt immer mehr linke Gruppierungen, die das Trennende von anderen Linken hervorheben, anstatt das Verbindende, das Gemeinsame zu sehen. Einzelne Aktivitäten lassen sich gemeinsam vorbereiten und durchführen, danach geht man wieder getrennte Wege.
  • Es trafen in Dresden, in nur einer Stadt, linke Kräfte aus ganz Deustchland zusammen. Jede Gruppe für sich genommen, in der Gesamtheit Deutschland betrachtet, ist dennoch eine verschwindend kleine Minderheit.
  • Kaum eine links orientierte Partei / Gruppe verfügt über ein Programm mit ganz realistischen und notwendigen Tageszielen. Vielmehr geht es um theoretische Diskussionen; jeder erfindet für sich den Sozialismus bzw. eine bessere Gesllschaftsordnung neu und will sich von den anderen abheben, ja distanzieren.
  • Zu viele sich links nennende Parteien / Organisationen erkennen das Grundgesetz als Basis ihres Handelns an, glauben daran, in einem „Sozialstaat“ zu leben und wollen ihn nur erträglicher gestalten. Sie verstehen dabei nicht, daß dieser Staat objektiven Gesetzen folgen muß, die soziale Verbesserungen nicht zulassen, sondern das Gegenteil diktieren.
  • Diejenigen linken Kräfte, die das erkannt und sich auf ihre Fahnen geschrieben haben, sind zu wenige, als daß sie für das Finanz- und Wirtschaftkapital eine Gefahr darstellen könnten. – Wäre es anders, würden sie verboten und verfolgt.
  • Man kann dieses menschenverachtende System nicht über Reformen überwinden. Man kann derzeit keinen Staat aus dem Weltgefüge reißen, um den Sozialismus aufzubauen – zu groß ist die internationale Kraft der Gegenwehr, es käme unweigerlich zum Krieg. Wir werden gegenwärtig Zeugen davon, wie in Bolivien der gesellschaftliche Fortschritt mit allen Mitteln verhindert wird.
  • Ein gesellschaftlicher Umsturz in Deutschland steht lange nicht auf der Tagesordnung, dazu sind die linken Kräfte zu gespalten, dazu geht es zu vielen Menschen noch zu gut, als daß sie sich wachrütteln ließen.

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Albertplatz Dresden am 13.02.2010

Montag, 15. Februar 2010 13:22

Wenn ich heute hier meinen Eintrag vornehme, dann mit einem längst verlorengeglaubten Gefühl des Glücks!

Es erwies sich als äußerst schwierig für mich als unorganisierte Einzelperson, eine Mitfahrgelegenheit nach Dresden in einem der zahlreichen Busse zu ergattern. Am Mittwoch, wie sich herausstellte, viel zu spät, fand ich auf der Internetsite „Dresden-nazifrei.com“ verschiedene Busse auch aus Baden-Württemberg, die nach Dresden fahren sollten. Meine Anfragen wurden allesamt negativ beantwortet: die Busse sind voll, es gibt keinen einzigen Platz mehr. Diese Aussage erhielt ich von Verdi München, Verdi Stuttgart, von der Linksjugend Esslingen-Nürtingen, von solid Tübingen, Jugendbündnis Ulm und von Antifa Stuttgart und Ulm.

Was tun? Ich gab Donnerstag noch einmal bei Google Suchbegriffe ein „Gegendemo – Bus – Dresden“… und kam auf 2 private Homepages von engagierten Jugendlichen. Noch am Donnerstag abend klingelte das Telefon: „Du kannst bei uns mitfahren.“ Ich freute mich, spürte aber irgendwie, daß er am anderen Ende der Leitung breit grinste. Mein Gefühl trügte mich nicht. Als ich fragte, von wo sie seien: Duisburg. Klar, da mußte ich auch lachen! Das war am anderen Ende Deutschlands. Am Freitagmittag klingelte wieder das Telefon. Benedikt M., Mitglied des Kreisvorstandes „Bündnis90/Die Grünen“ vom Alb-Donaukreis, den ich auch angeschrieben hatte, meldete sich: er habe für mich einen Platz in einem Bus von Konstanz nach Dresden. Bei den „Jungen Grünen“ aus Backnang sei eine Person ausgefallen – wir würden in Stuttgart in den Bus zusteigen. Benedikt gab mir eine Kontakt-Telefonnummer, die ich sofort anrief. Es meldete sich ein Gerrit. Wir verabredeten uns für 00:00 Uhr am Stuttgarter Bahnhof. Gerrit sagte mir, daß wir nicht in Stuttgart in den Bus zusteigen, sondern in Ludwigsburg.

Mit Benedikt verabredetete ich mich für die Zugfahrt nach Stuttgart; er besorgte für uns beide die Tickets. Edwin brachte mich 20:00 Uhr zum Bahnhof Schelklingen. Ich zog mir warme Kleidung an und setzte meine leuchtend grüne Mütze auf. Es sollte eine abenteuerliche Fahrt werden.

In Stuttgart vertrieben wir uns zunächst etwas Zeit, bis sich Benedikt gegen 23:30 Uhr verabschiedete. Er fuhr mit einem anderen Bus. Die Zeit bis 00:00 Uhr verging sehr schnell. Dann traf ich 7 junge Grüne aus Backnang. Sie nahmen mich spontan in „ihre Familie“ auf, mein Alter spielte bei den 17- bis 19-Jährigen keine Rolle. Für die nächsten 28 Stunden war ich Eine von ihnen.

Wir sollten 01:30 Uhr in Ludwigsburg sein, schlenderten ein wenig durch Stuttgart und waren gerade auf dem Weg zur S-Bahn, als Gerrits Handy klingelte – Der Bus käme nicht nach Ludwigsburg. Wir sollten in 20 Minuten an der Autobahn-Abfahrt Gertingen auf einen Rastplatz kommen und dort zusteigen. Da blieb uns nichts weiter übrig, als mit 2 Taxen dorthin zu fahren. Gegen 01:30 oder 02:00 Uhr saßen wir endlich im Bus. Wir fanden ein wenig Schlaf. In Dresden kamen wir ohne jegliche Zwischenfälle gegen 09:00 Uhr an. Wir wunderten uns, daß wir ungehindert ins Zentrum Dresden-Neustadt fahren konnten, sahen überall Unmengen Polizei Stellung beziehen. Später erfuhren wir, daß wir zeitig genug angekommen waren. Busse, die nach uns aus Berlin und Norddeutschland anreisten, wurden von der Polizei eine zeitlang blockiert. Wir 8 Personen blieben in Dresden immer zusammen. Wir machten uns auf den Weg Richtung Neustädter Bahnhof. Alle Wege waren von Polizei versperrt, die sich aber ruhig verhielt und nicht provozierte. Dicht an dicht blieben sie stehen, es gab kein Durchkommen. Massenweise standen Poizeibusse auf den Straßen, wir sahen auch viele Wasserwerfer bereitstehen. Später zählten wir bis zu 7 Hubschraubern, die uns aus der Luft beobachteten.

Überall liefen Angehörige des schwarzen Blocks der Antifaschisten herum. An einer großen Straßenbahnkreuzung versammelten sich Mitglieder und Sympathisanten der MLPD, auch vorwiegend schwarz gekleidet; viele von íhnen hatten Fahnen dabei. Durch ein Megaphon rief einer von ihnen vis á vis den Polizisten zu: „Wir warten hier sozialistisch auf die Straßenbahn! Das ist unser gutes Recht. Wir gehen hier nicht weg!“ Ich hatte nichts anderes als solche Sprüche von der MLPD erwartet, mußte etwas schmunzeln.

Irgendwie gelangten wir ca. 10:00 Uhr auf Umwegen auf einen Platz, den Albertplatz. Dort hatten sich schon ein paar tausend Menschen eingefunden. Unsere Gegendemo war doch nicht genehmigt worden, war also „illegal“. Ein paar Kampfesreden von den Organisatoren, immer wieder Sprechchöre von uns allen und immer wieder die Bitte an alle: ruhig und friedlich hier auf dem Platz zusammenzubleiben; nicht zu provozieren oder sich provozieren zu lassen. Daran hielten sich für den Rest des Tages ca. 5.000 dort versammelte Menschen, später waren es 10.000. Es wurde viel geredet, noch mehr Musik gespielt, u.a. von Konstantin Wecker, zu der wir in der Eiseskälte tanzten und uns warm hielten. Immer wieder wurden wir über das Neueste informiert. So erfuhren wir, daß andernorts Dresdens und Dresden-Neustadts an verschiedenen Stellen auch je mehrere tausend Antifaschisten Straßen und Plätze blockierten. Sehr beeindruckt hat mich das Auftreten des Jenaer Bürgemeisters mit klarer Position und damit mit viel Zivilcourage! Als gegen Mittag die ersten Neonazis anreisten, kam es zu vereinzelten Zwischenfällen: So waren Neonazis aus einem Bus rausgesprungen, um Antifaschisten anzugreifen, die aber fliehen konnten. An einem anderen Platz wurden ein paar hundert Blockierer von der Polizei aufgelöst und vertrieben; sie kamen später zu uns auf den Albertplatz. Ansonsten war alles friedlich, aber keineswegs ungefährlich.

Bald waren wir von der Polizei ringsherum eingeschlossen. Sie marschierten von verschiedenen Seiten zum Albertplatz und bildeten einen Kreis um uns. Wir befürchteten, daß sie uns angreifen würden. Über dem Platz flogen verstärkt Hubschrauber ihre Runden. Unbeirrt tönte die Musik aus den Lautsprechern, zu der wir weiterhin lachten, mitsangen und tanzten. Es war inzwischen 14 oder 15:00 Uhr. Immer wieder erfuhren wir, daß die Nazis nicht marschieren könnten, weil die Polizei deren Sicherheit nicht gewähleisten könne. Ohrenbetäubender Jubel von uns!

Ein paar Leuten von „Bündnis 90/Die Grünen“ gingen in die obere Etage eines leerstehenden Hauses und entrollten ein Plakat „Gegen Nazis“.

Irgendwann kippte offensichtlich die Stimmung bei den Polizisten. Der Ring um uns wurde aufgelockert, ein paar von Ihnen bewegte sich mit uns rhytmisch zu den Klängen aus den Lautsprechern. – Wer hätte das gedacht!

Die Demo war den Nazis bis 17:00 Uhr genehmigt. Als 17:00 Uhr durch die Lautsprecher informiert wurde, daß die Nazis endgültig nicht marschieren könnten und bereits von der Polizei auf den Bahnhof und in Züge gedrängt wurden lagen wir uns vor Freude in den Armen! Eine Frau hinter mir fing vor Freude zu weinen an – ich nahm sie in den Arm. Sie sagte: „Ich hätte das alles nicht für möglich gehalten!“. Eine andere Frau, die den ganzen Tag hinter uns stand, mit ihrem Mann tanzte, kam zu mir, legte mir beide Hände auf die Schultern und sagte: „Danke, daß Sie hier waren!“- wir umarmten uns, nun hatte auch ich feuchte Augen. Alle auf dem Platz warteten noch, bis alle antifaschistischen Gegendemonstranten von den anderen Plätzen und Straßen zu uns stießen. Wir begrüßten sie lautstark, der letzte Trupp von ca. 4.000 Menschen gelangte unter strenger Polizeibegleitung zu uns, ein Glücksgefühl überströmte den Albertplatz! Die Polizisten rückten in Dreier-Reihen durch die Massen ab, u.a. direkt an uns vorbei. Ich schaute sie an, suchte deren Gesichter. Auf einmal zwinkerte mir ein sympathisches Gesicht hinter dem kugelsicheren Helm-Plexiglas freundlich zu – Nein ! – nicht alle Polizisten sind gegen uns, gegen die Linken, auch unter ihnen gibt es Nazigegner.

Gegen 19:00 Uhr liefen wir auf der anderen Seite der Elbe zu unserem Bus. Überall Polizei, Polizei, Polizei… Spontan ging ich immer wieder zu ihnen und bedankte mich, daß sie so ruhig geblieben waren und damit dazu beigetragen hatten, daß der Tag vorwiegend so friedlich ablief. Ca. 20:00 Uhr saßen wir alle im Bus und traten die Heimreise an. Wir erfuhren, daß der Busfahrer nicht bereit war, uns irgendwo in Stuttgart oder Nähe der Stadt an einer S- oder U-Bahn abzusetzen. Dieses Mal stiegen wir an der Raststätte Sindelfingen aus. Corinnas Freund nahm 4 von uns mit. Alle bestanden daruf, daß ich zum Bahnhof mitfuhr, der Rest von ihnen bestellte wieder ein Taxi. So kam ich sicher 03:40 Uhr am Stuttgarter Hauptbahnhof an, der zu dieser Zeit geschlossen war. Durch einen Nebeneingang wurden nur Reisende mit Fahrschein reingelassen. Einer der Jugendlichen, (bitte entschuldigt, ich weiß Eure Namen gar nicht alle bzw. konnte sie mir nicht merken) half mir, am Automaten ein Ticket nach Schelklingen zu lösen und verabschiedete sich dann. Mein Zug fuhr 04:35 Uhr nach Ulm ab. Dort stieg ich in den Regionalexpress. Sonntag früh, 06:23 Uhr, holte mich Edwin vom Bahnhof ab. Ich war totmüde, aber überglücklich!

Ich hatte an diesem Tag junge Menschen kennengelernt, die ihr Herz auf der richtigen Seite trugen, mit beiden Beinen im Leben standen, frei von jeglichen Vorurteilen und voller Ideale alles zu tun bereit sind ihren ganz persönlichen Beitrag für eine bessere, sozialistische Welt zu leisten. Sie gaben mir das Gefühl, zu ihnen zu gehören, obwohl ich mit meinen 56 Jahren so gar nicht in ihre Runde paßte; sie achteten von der ersten bis zur letzten Minute auf meine Sicherheít, umarmten mich zum Abschied mit den Worten: „Petra, Du mußt uns mal besuchen kommen!“. Sie versprachen, mir per e-Mail Fotos vom Tag in Dresden zu senden, damit ich diese dem Beitrag hier im Blog einfügen könne. Und ich gab ihnen die Adresse zu meinem Weblog hier.

Ich bin immernoch übermüdet aber so glücklich, wie viele Jahre schon nicht mehr. Bis jetzt liegt auf meinem Gesicht ein längst vergessenes Lächeln.

Die Nazis konnten in Dresden nicht aufmarschieren – über 10.000 Menschen haben das verhindert – UND ICH WAR DABEI!

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Das Ende vom Robotron Anlagenbau Leipzig

Mittwoch, 10. Februar 2010 14:03

1990 kehrte ich zurück zum Robotron-Anlagenbau Leipzig, nicht in den Schulungsbereich, sondern in den Vertrieb in Halle. Das Schulungszentrum wurde stark abgebaut, erhielt ein vollkommen neues Profil und sollte künftig Umschulungen anbieten. Ich war dankbar, daß man mich überhaupt wieder einstellte.

Zu diesem Zeitpunkt gehörten dem Robotron-Anlagenbau noch 1.600 Mitarbeiter an. Es begann eine Zeit, wo sich die verschiedensten Geschäftsführer, allesamt konzeptionslos, aus den alten Bundesländern stammend, gegenseitig die Klinke in die Hand gaben. Einer der Geschäftsführer, knapp über 20 Jahre, Sohn reicher Eltern, mit den Hobbies: Autos sammeln und Pferde. Natürlich hatte er einen Trabi erworben. Aber in Richtung  Menschenführung oder Führung eines Unternehmens hatte er noch nie etwas getan.

Für uns Mitarbeiter ergab sich ein Rätselraten, was werden würde. Der Vertieb sollte außer PC’s auch Bürobedarf und Büromöbel anbieten. Es gab keinen Gebietsaufteilung, keine Zuständigkeitsbereiche, kein richtiges Konzept. Mal hieß es „Hü“, mal „Hot“. Ich entschied für mich selbst, was richtig sei und was nicht. Ich lief von Betrieb zu Betrieb, von Behörde zu Behörde und lief in den meisten Fällen gegen Wände. In den entscheidenden Positionen saßen altbundesdeutsche „Entscheidungträger“, die uns hochnäsig abblitzen ließen und uns manchmal als „Hausierer“ bezeichneten. Sie kauften alles, ausnahmslos alles im Westen Deutschlands ein. Sie waren ihren „Partnern“ verpflichtet. Nicht die Wirtschaft im Osten sollte angekurbelt werden, sondern die damals drohende Wirtschaftskrise des Westens mußte vereitelt werden. – Wie wir heute wissen, eine zeitlang durchaus erfolgreich.

Mir gelang es, mit dem Finanzministerium Sachsen-Anhalts in Magdeburg einen Rahmenvertrag für Robotron abzuschließen. Kein Vorgesetzter hatte mich in meinen Bemühungen unterstützt – im Gegenteil – man belächelte mich. Also hatte ich selbst an den Abenden nach meiner Arbeitszeit Preislisten und Rabatte erarbeitet, geschrieben und ausgedruckt. Alles mußte 120-mal im Ministerium abgegeben werden. Als dieser Vetrag unterzeichnet war, gingen meine Chefs damit hausieren!

Ich hatte damals bei den Mitarbeitern in Halle einen äußerst schweren Stand, weil ich in der Partei (SED) war, auch noch dazu stand, keinen Millimeter von meiner Überzeugung abzurücken bereit war und 3 Jahre im Parteiapparat (der SED) gearbeitet hatte, davon 1/2 Jahr hauptamtlich als stellvetretende Parteisekretärin des Robtron-Anlagenbaus Leipzig. Man verhöhnte mich, sprach  nur das Nötigste mit mir und brachte mir deutliche Verachtung entgegen. Riefen Kunden an, die ich aufgesucht hatte, um in seltenen Fällen etwas zu bestellen, wurde der Umsatz derjenigen gutgeschrieben, die das Telefonat entgegengenommen hatte. Ich biß die Zähne zusammen, auch wenn es oft schwerfiel.

Auch im Finanzministerium saßen nur Leute aus der zweiten Reihe der Behörden altbundesdeutscher Länder, die in dieser Zeit steile Karriere machten. Ich erfuhr von dem zuständigen Mitarbeiter des Finanzministeriums, der irgendwie von meinem Engagement beeindruckt war, daß man bereits 1990 in Insiderdokumenten den Robotron-Anlagenbau Leipzig als insolvent führte, was überhaupt nicht den Tatsachen entsprach! Auf diese Art vereitelte man größere Geschäftsabschlüsse und das Überleben nicht nur Robotrons.

Im Sommer 1993 wurde es sehr kritisch. Wir besetzten den Robotron-Anlagenbau in der Gerberstraße in Leipzig, wollten Schlimmeres verhindern. Ich saß mit anderen Mitarbeitern Leipzigs zusammen in einem Raum; wir berieten, wie wir vorgehen sollten.

Die Leipziger Kollegen, die mich allesamt von früher kannten, als ich noch Lehrgänge für Instandhaltungstechniker von ESER-II-Anlagen hielt (Assemblerprogrammierung und Betriebssystem OS/ES) achteten mich nach wie vor; zu ihnen hatte ich ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Ich war Eine von ihnen geblieben!

Auf einmal öffnete sich die Tür – herein kamen 2 „Herren“ – der eine war unser neuer Geschäftsführer, Herr Wiedmann, der andere, Herr Krohn (oder Groll?), stellte sich als Insolvenzverwalter vor. Dieser war ein recht beleibter Typ, breit grinsend, beide Hände tief in den Hosentaschen vergraben, stellte er sich kurz vor und begrüßte uns mit den Worten: „Vergessen Sie, was Sie bisher gelernt und getan haben – Es ist nichts wert! Wir können Sie zu nichts gebrauchen!“ Damit hatte er sofort all unsere Sympathien auf seiner Seite. Er sagte das zu hochqualifizierten Mitarbeitern, die bis dato für internationale EDV-Fachkräfte Lehrgänge gehalten hatten! Dieser Satz, in dieser Überheblichkeit, Menschenverachtung, brannte sich tief in mir ein.

Herr Wiedmann sagte kaum etwas, er wirkte unsicher, sollte zwar Geschäftsführer über nunmehr 1.400 Mitarbeiter werden, hatte aber von Tuten und Blasen keine Ahnung, schwamm im Fahrwasser des Herrn Krohn mit. Bis dahin hatte Herr Wiedmann als Vertriebler für eine amerikanische Softwarefirma gearbeitet. Er war geeignet, dem Robotron-Anlagenbau den Todesstoß zu verpassen, was er denn auch gründlichst tat!

Es wurde gemunkelt, daß Siemens Interesse an unsem Betrieb hatte und eine indische Softwarefirma, für die wir zu DDR-Zeiten Lehrgänge hielten, aber es war nicht beabsichtigt, unsere Arbeitsplätze zu erhalten.

Ein paar Tage später fand eine Mitarbeiterversammlung statt. Dieser dreiste Krohn verkündete, daß Robotron pleite sei. Ehemalige DDR-Mitarbeiter der Betriebsleitung und der Betriebsrat meldeten sich zu Wort und widerlegten diese Aussage: Der Robotron-Anlagenbau verfüge zu diesem Zeitpunkt über ein Vermögen, das ausreiche alle 1.400 Mitarbeiter 3 Jahre lang zu bezahlen ohne eine Mark Gewinn machen zu müssen. Zudem gehören alle Immobilien Robotron selbst. Und was erhielten wir zur Antwort?! – Ihnen gehört gar nichts mehr! Ihr ganzes Vermögen nebst Immobilien gehört jetzt der Treuhand. Für die Immobilien haben Sie fortan Miete zu zahlen. Wenn sie überleben wollen, müssen Sie erst einmal Gewinn erwirtschaften. So einfach war das.

Wir Mitarbeiter mußten alle einen neuen Arbeitsvertrag unterschreiben, der alte wurde für ungültig erklärt. Wir erhielten eine Abfindung, die bei mir für 15-jährige Bertiebszugehörigkeit, um die 1.300 Mark betrug. Als erstes kaufte ich mir von dem Geld eine Schlagbohrmaschine, einen neuen Kühlschrank und fuhr mit meiner Tochter für 2 Wochen nach Tunesien (mein Sohn wollte nicht mitreisen). Mit den neuen Arbeitsverträgen wollte man vermeiden bei späteren Éntlassungen, dann nämlich nach bundesdeutschem Betriebsverfassungsgesetz,  horrente Abfindungen zahlen zu müssen. Es wurde an alles gedacht!

Dieser Herr Wiedmann begleitete mich eines Tages in das Finanzministerium nach Magdeburg. Er hatte von meiner Rahmenvereinbarung gehört und wollte seine amerikanische Software zur Verwaltung von Computeranlagen dort präsentieren. Auf dem Rückweg erzählte er mir, er habe eine Hymne für Robotron schreiben lassen – american life… Ich lächelte und fragte, ob man das Geld nicht hätte nutzbringender ausgeben können. Und doch war ich beeindruckt, wie sehr er sich mit „meinen“ Betrieb identifizierte. Kurz bevor wir uns verabschiedeten (ich brachte ihn zurück nach Leipzig), sagte er auf einmal zu mir: „Frau Rocke, Sie sind gut! Ich will Sie in meiner Niederlassung in Wendlingen haben.“  und bestellte mich für den nächsten Tag zu sich ins Büro. So erfuhr ich von einer Robortron-Außenstelle in Wendlingen! Ich entgegnete ihm, daß er mich gar nicht kennen würde und real einschätzen könne. Wir hätten doch lediglich gemeinsam das Finanzministerium besucht – und daß ich wegen einer gemeinsamen Fahrt keinerlei Vorteile für mich beanspruchen wolle. Er redete mit Engelszungen auf mich ein. Ich gab zu bedenken, daß ich alleinerziehende Mutter von 2 Jugendlichen war (Sohn: 17 Jahre, Tochter 14 Jahre), daß ich zwar meine Mutter um Unterstützung bitten könne, aber es ausprobieren müsse, wenn es nicht gutginge, daß ich jederzeit zurück nach Leipzig oder Halle könne. Er ging alle Kompromisse ein und stellte mir ein sofortiges Gehalt von, anstatt bisher 1.400 Mark, künftig 4.200 Mark in Aussicht.

So fuhr ich fortan montags früh 550 km mit dem Betriebsauto, einem weißen Peugeot 205 nach Wendlingen und freitags mittags zurück. In Wendlingen, eine Etage unter dem Büro von Robotron, unterhielt der Herr Wiedamnn eine Software-Firma mit 5 oder 6 Angestellten. Bald fand ich heraus (auch aus den Erzählungen der Angestellten, mit denen ich mich schnell befreundete und von denen einer seit 1996 mein Ehemann ist), daß Herr Wiedmann und Herr Krohn diese Firma, ISICAD, gekauft hatten. Um diese Firma kaufen zu können brauchten sie Geld – aus diesem Grund bewarben sie sich erfolgreich um die Übenahme des Robotron-Anlagenbau Leipzig, zweigten Treuhand-Geld für den Kauf dieser Firma ab und belasteten fortan eine eigentlich schwarze Zahlen schreibende Abeilung Robotrons mit den Gehältern dieser hochbezahlten Mitarbeiter (alle hatten EDV-Uniabschluß und waren Softwareentwickler). Ich hatte einen Gehaltszettel gesehen und somit erfahren, woher diese Leute ihr Geld erhielten, die offiziell gar nicht bei Robotron angestellt waren. Zusätzlich finanzierten sie über Robotron-Gelder teure Geschäftsreisen für ISICAD nach Amerika. Dadurch geriet diese gewinnbringende Robotron-Abteilung monatlich in die roten Zahlen, was die Mitarbeiter dieser Abteilung gar nicht verstanden. Diese wurden sattdessen unter Druck gesetzt, sie würden nicht gut genug arbeiten.

Das ganze währte gerade 2 Monate (Oktober/November 1993). Eine Betriebsversammlung wurde in Leipzig anberaumt – Die Geschäftsführer wußten nicht mehr, wie sie ihre Mitarbeiter in Leipzig und Halle bezahlen sollten, und das kurz vor Weihnachten! Ich stand auf und erzählte der Belegschaft ganz konkret, wie nicht nur Treuhandgelder, sondern auch unser schwer erarbeiteter Gewinn für eine andere Firma, ISICAD, verschleudert wurde. Herr Wiedmann wurde unruhig auf seinem Stuhl. Immer wieder forderte er die Presse (die gar nicht anwesend war) auf, diesen Raum unverzüglich zu verlassen. Ich rief die Belegschaft zum Arbeitskampf auf. Ich bettelte geradezu, jetzt und sofort für den Erhalt unserer Abrbeitsplätze zu kämpfen, auf die Straße zu gehen, solange wir noch über 1.000 Mitarbeiter und damit eine Kraft seien. Wenn erst die meisten entlassen wären, lohne der Kampf eines kleinen Grüppchens nicht mehr. Nur wenige gaben mir recht, die meisten schauten mich in Anwesenheit der Geschöäftsführung mit großen Augen schweigend an. Sie wollten nichts riskieren und meinten, wenn sie schön still seien, würden sie von Entlassung verschont bleiben. Welch Irrtum!

Nach dieser Bertiebsversammlung mußte ich natürlich zu Herrn Wiedmann antanzen. Die Außenstelle von Robotron in Wendlingen wurde geschlossen. Er sagte zu mir: „Jetzt, wo Sie ihren Geschäftsführer kennen, sind Sie jetzt noch bereit für ihn zu arbeiten?“ sein Stellvertreter, ein alter Robotronler, Peter, der sich gut anpassen konnte, zu dem ich aber  die früheren Jahre zu DDR-Zeiten ein gutes Verhältnis hatte, gab mir zu verstehen, daß Herr Wiedmann mich aufgrund seiner Bloßstellung entlassen wolle. Herr Wiedamnn wollte mir mein Gehalt wieder auf 1.400 Mark kürzen, was er jedoch rechtlich nicht konnte. Ich schaute Herrn Wiedmann geradewegs an und erwiderte, daß ich sehr wohl gedenke, meine Arbeit für mein Robotron fortzusetzen und daß ich mir dabei meinen Geschäftsführer nicht aussuchen könne. Später erfuhr ich, daß er gegenüber den ISICAD-Mitarbeitern seinen Unmut über meine Dreistigkeit kundgab, ich hätte ihn arg in Bedrängnis gebracht, und wissen wollte, von wem ich die Informationen hätte.

Ein halbes Jahr später, ringsherum wurden immer mehr Kollegen entlassen, der Betriebsteil Halle existierte kaum noch, ich saß in einem Büro in Leipzig, fand ich eine Arbeit als Organisationsleiterin am Theater in Esslingen (eine Stadt nicht weit weg von  Wendlingen, nahe bei Stuttgart) und reichte meine Kündigung ein. Dabei hatte ich mir einst geschworen, niemals in den Westen zu ziehen. Doch ich mußte für 2 Kinder sorgen und entschied schmerzlich anders. Der Betriebsrat wollte mich sprechen und von mir persönlich erfahren, daß ich aus eigenen Gründen kündige. Jetzt wußte ich, daß der Betriebsrat dieses letzte halbe Jahr beide Hände über mich gebreitet und meine Entlassung nicht zugelassen hatte. Als ich ging, waren von ehemals 1.600 Mitarbeitern noch ganze 82 übrig, nur ein paar Monate später waren es noch 18.

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