das Grundübel der heutigen linken Bewegungen
Sonntag, 28. Februar 2010 19:37
Beim Lesen der „Niederlagenanalyse – Die Ursachen für den Sieg der Konterrevolution in Europa“ werde ich bei jeder Zeile unruhiger. Ich lese und denke: Das weiß ich doch längst! – Das ist genau das was ich ständig denke, sage oder schreibe! Ich bin bestimmt nicht arrogant oder überheblich bei diesen Gedanken, das war ich noch nie und werde es auch nie sein!
Wieder wird mir bewußt: Ich habe so viel theoretisches Wissen gepaart mit so viel praktischer Erfahrung, die einfach hier in mir schlummern und brachliegen, die ich aber nirgendwo nutzbringend anwenden könnte, weil mir dazu eine politische Palttform fehlt. Sooft ich danach gesucht habe, nach einer wirklich sozialistischen/kommunistischen Partei oder Organisation, war ich enttäuscht. Was mich stets abschreckt ist die Tatsache, daß alle erklären wollen, was Sozialismus wirklich ist. Niemand ist jedoch bereit, basierend auf einer wirklichen Analyse des Scheiterns z.B. der DDR und anderer soz. Länder sowie auf Analyse der real existierenden objektiven und subjektiven Voraussetzungen realsitische Tagesaufgaben inangriff zu nehmen. DDR? – dann wird abgewinkt – angefangen von: das war kein Sozialismus über: da wurde ja alles nur verkehrt gemacht bis hin zu: wir wollen ja nur soziale Verbesserungen, aber die Marktwirtschaft erhalten kommt mir so alles im sich links nennenden Spektrum vor.
Dabei bewegen sich die meisten linken Parteien, Gruppierungen in der Mitte – wollen sich in dieser Gesellschaftsordnung einrichten, soziale Reformen angehen, um das System für jede Bevölkerungsschicht erträglicher und ein bißchen gerechter zu machen.
Darin liegt das Grundübel der sogenannten Linken Bewegung in der Gegenwart. Zwar beruft man sich evtl. noch auf Marx, ist aber nicht in der Lage ihn tatsächlich auszuwerten. Unter „Auswertung“ verstehe ich dabei ihn zu studieren, zu verstehen und in die heutige Zeit zu übertragen. Die Entwicklung des Kapitalismus ist seit Marx enorm vorangeschritten, er zeigt sich facettenreicher, aber seinen Charakter hat er behalten. Geblieben ist auch, daß der Kapitalismus ihm innewohnende objektive Gesetzmäßigkeiten befolgen muß. Dabei steht an allererster Stelle: Profit!
Daß es in der BRD die so genannte „soziale Marktwirtschaft“ gab, hat objektive Ursachen, die sind der ehemaligen Existenz des sozialistischen Lagers zu verdanken, nicht aber etwa im „sozialen Charakter“ des Kapitalismus zu suchen. Vergessen wir nicht: DDR und BRD befanden sich beide an der unmittelbaren Grenze zwischen Kapitalismus westlich und Sozialismus östlich Europas. Beide mußten als Schaufenster der Systeme dienen. Vergleichsweise war der Lebensstandard in der DDR entsprechend höher als der z.B. in Rußland. Andererseits, und das ist aus heutiger Sicht, nämlich nach der von Stay-Behind-Armeen erfolgreich durchgeführten Vernichtung des Sozialismus in Europa, wesentlich entscheidender, war der Kapitalismus in der BRD nicht nur bereit, sondern auch gezwungen zu sozialen Reformen. Ohne die Existenz sozialistischer Länder wäre der Lebensstandard in der BRD wesentlich geringer gewesen, die Arbeitslosenrate höher, die Gehälter niedriger, hätte es keine Gesundheitsreformen im positiven Sinn gegeben, wären mehr Schulen und Universitäten kostenpflichtig usw. usf. Nur durch die Existenz der DDR und der anderen sozialistischen Ländern mußte die BRD bereit sein zu diesen sozialen Kompromissen. Es ging dabei um ihre Existenz: immer eine soziale Überlegenheit gegenüber dem Sozialismus vorzugaukeln.
Nicht umsonst begannen sofort nach der Okkupation der DDR in der BRD Reformen mit ganz anderem Charakter, die heute noch nicht abgeschlossen sind: die hart erkämpften sozialen Fortschritte wurden und werden Schritt für Schritt wieder abgebaut. Jetzt muß man nichts mehr vorgaukeln, jetzt kann man den wahren Charakter dieser sogenannten „sozialen“ Marktwirtschaft zeigen, jetzt läßt der Kapitalismus die Hosen runter und zeigt allen sozialen Errungenschaften den Stinkefinger. Er muß es auch tun, denn er muß objektiven Gesetzen gehorchen, um nicht von anderen überrannt, übervorteilt zu werden. Dazu sind alle Mittel recht – und hier können wir uns getrost auf die Worte von Marx und Lenin berufen, die haben heute dieselbe Gültigkeit wie vor 150 und 100 Jahren!
Das große Glück beim Abbau der sozialen Leistungen, beim Abbau des Lebensstandards, bei Beteiligung an Kriegen ist der Umstand: man kann sich berufen auf die DDR, die sei schuld daran! – zuviel Geld sei reingeflossen, um dort die Wirtschaft „wiederaufzubauen“, das Leben der Menschen zu verbessern und die Demokratie in ferne Länder wie Afghanistan zu bringen. Das alles koste ja viel Geld, deshalb muß jeder etwas zurückstecken. Das Verwunderliche daran ist, daß so viele Menschen diesen Lügenschleier zu lüften nicht in der Lage sind und dieses Lied mitsingen. Selbst linke Parteien stimmen allzu häufig in diese Melodie mit ein.
Auch hierfür gibt es Ursachen: Schulbildung und Studium haben von 1945 bis heute in der BRD hervorragende Arbeit geleistet: Sie zeichnen zum einen ein falsches Bild der DDR und des real existierten Sozialismus in Europa und tun alles, um die Bevölkerung politisch ungebildet zu lassen. Nur so läßt sich die Bevölkerung bereitwillig manipulieren, weil sie es nicht besser weiß.
Was mir immer wieder begegnet: Menschen, die zugeben, niemals vor 1989 in der DDR gewesen zu sein, die aber ganz genau wissen, wie schlecht wir dort gelebt haben. Ich, die ich in der DDR geboren und aufgewachsen bin, werde ausgelacht, ich hätte ja keine Ahnung – und man beginnt mir erzählen zu wollen, wie es wirklich gewesen war. Sobald ich mit der falschen Darstellung nicht einverstanden bin, werde ich in die „Stasi“ – Schublade gesteckt – das eigentliche und alles überragende Gespenst der DDR, das endlich besiegt wurde, wie legendäre Drachen im Mittelalter.
Dazu eine kurze Episode, weil sie so gut hierher paßt:
Ich hatte so um 1998/99 herum ein Vorstellungsgespräch im Liebherrwerk in Ehingen. Der Personalchef zeigte sich locker-gesprächig. Erzählte, daß sein Sohn in Dresden studiere und welche Ängste ihn dabei begleiten, sowie von derzeit schon im Werk arbeitetenden Menschen, denen irgendwann die Flucht aus der DDR gelungen war und die allesamt gute Arbeit leisten. Scheinbar beiläufig fragte er nochmal, wann ich in die alten Bundesländer kam. Er ging über vom Glück der Existenz des Internets, wo sich auch die Personalabteilungen aller Unternehmen schnell kurzschließen und austauschen könnten, zu schwärmen. Und dann kam er zum Kern: Wir Personalleiter großer Unternehmen sind uns in einem einig: Alles, was nach 1989 in die alten Bundesländer kam („alles“ – sind die Menschen, Arbeitskräfte) seien „stasibehaftet“ und für Unternehmen nicht tragbar.
Zum Gespenst „Staatssicherheit“ und zum Thema Geheimdienste überhaupt werde ich meine Gedanken zu einem anderem Zeitpunkt formulieren.
Solange also linke Parteien nicht in der Lage oder nicht gewillt sind, den wahren Ursachen auf den Grund zu gehen und vom Märchen einer sozialen Marktwirtschaft träumen, wird der soziale Abbau nicht nur in Deutschland rasant voranschreiten, werden immer neue Kriegsherde auf der Welt entstehen. „Marktwirtschaft“ = Kapitalismus, ist niemals sozial, wird er niemals sein, nein, kann er gar nicht sein. Wirklich linke Parteien kommen nicht umhin, den Kapitalismus zu überwinden auf ihre Fahnen zu schreiben. Das erfordert, sich von den Vorgaben des Grundgesetzes zu lösen, das ja gerade das unter Strafe stellt. Wirklich linke Parteien kommen also nicht umhin, außer der Marktwirtschaft auch das Grundgesetz abzuschaffen und durch ein neues zu ersetzen.
Der moderne Kapitalismus ist dazu übergegangen, Wünsche und Hoffnungen der Menschen nach Frieden, Wohlstand und Fortschritt aufzugreifen, deren Begriffe zu verwenden, ohne damit deren Inhalte zu meinen. Davon lassen sich zu viele Menschen täuschen, ja betrügen.
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